Ein eingetragenes Bauverbot im Grundbuch sollte einen fünf Meter breiten Grenzstreifen seit 1967 schützen. Trotzdem baute der Nachbar. Obwohl die Grunddienstbarkeit festgeschrieben war, musste das Gericht klären, ob der ursprüngliche Sicherungszweck bereits vor Jahrzehnten entfallen war. Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 U 213/23 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main
- Datum: 10.12.2024
- Aktenzeichen: 8 U 213/23
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Sachenrecht, Grunddienstbarkeit, Öffentliches Baurecht
- Das Problem: Nachbarn stritten darüber, ob ein eingetragenes Bauverbot auf einem Grenzstreifen noch galt. Die Klägerin forderte die Entfernung der neuen Bebauung durch die Beklagten. Die Beklagten forderten die Löschung des Bauverbots aus dem Grundbuch.
- Die Rechtsfrage: Erlischt ein privates Bauverbot im Grundbuch, wenn der ursprüngliche behördliche Sicherungszweck dafür (ein Bebauungsplan) nachträglich aufgehoben wird?
- Die Antwort: Ja, das Bauverbot erlischt in diesem Fall vollständig. Das Recht diente primär der Absicherung öffentlich-rechtlicher Abstandsvorschriften. Durch die Aufhebung des Bebauungsplans ist dieser ursprüngliche Zweck endgültig weggefallen.
- Die Bedeutung: Ein im Grundbuch eingetragenes privates Recht kann seine Wirksamkeit verlieren. Dies geschieht, wenn der damit verfolgte Vorteil oder Zweck objektiv entfällt. Die Beklagten dürfen das Grundstück nun trotz des alten Eintrags bebauen.
Der Fall vor Gericht
Worum genau ging der Streit zwischen den Nachbarn?
Ein Grundbucheintrag ist für die Ewigkeit – so denken viele. Er ist das steinerne Gedächtnis eines Grundstücks. Aber was passiert, wenn ein Recht, das dort schwarz auf weiß steht, seinen Sinn verliert? Wenn ein altes Bauverbot aus den 1960er Jahren zu einem juristischen Zombie wird: eingetragen, aber ohne Lebenskraft? Ein Nachbarschaftsstreit vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main drehte sich genau um diese Frage – und um ein fünf Meter breites Stück Land, das zum Schauplatz eines Kampfes zwischen totem Recht und moderner Bauplanung wurde. Die Ausgangslage war klar umrissen. Die Eigentümerin eines Grundstücks hatte auf dem Papier ein starkes Recht. Im Grundbuch des Nachbargrundstücks war zu ihren Gunsten eine sogenannte Grunddienstbarkeit eingetragen. Diese sicherte ihr einen handfesten Vorteil: Ein fünf Meter breiter Streifen auf dem Nachbargrundstück durfte nicht bebaut werden. Dieses Bebauungsverbot stammte aus dem Jahr 1967. Mehr als 50 Jahre später wechselten die Nachbarn. Die neuen Eigentümer erhielten 2022 eine Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus. Sie bebauten das Grundstück – und auch den eigentlich geschützten Grenzstreifen. Dort entstanden Terrassen, Stellplätze für Autos und Fahrräder, Mülltonnenboxen und eine Treppe. Die Nachbarin sah ihr im Grundbuch verankertes Recht verletzt. Sie zog vor Gericht und verlangte auf Grundlage ihres Beseitigungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB den vollständigen Rückbau. Die neuen Eigentümer wehrten sich. Sie forderten im Gegenzug mit einer Widerklage, das veraltete Bauverbot endgültig aus dem Grundbuch zu löschen.
Warum war das alte Bauverbot plötzlich wertlos?
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigte die Sicht der bauenden Nachbarn. Es erklärte das eingetragene Bauverbot für erloschen. Der entscheidende Grund lag tief in der Vergangenheit verborgen – im ursprünglichen Zweck der Eintragung….