Verbraucherschützer klagten gegen eine Standardklausel in der Personenversicherung, die dem Anbieter ein fast uneingeschränktes Anhebungsrecht der Prämie gab. Das Gericht musste klären, ob ein einfaches Kündigungsrecht des Kunden eine derart einseitige Benachteiligung ausgleichen kann. Zum vorliegenden Urteil Az.: 12 UKl 1/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
| Kategorie | Inhalt |
|---|---|
| Gericht: | Oberlandesgericht Karlsruhe |
| Datum: | 21.11.2024 |
| Aktenzeichen: | 12 UKl 1/24 |
| Verfahren: | Unterlassungsklage eines Verbraucherverbands |
| Rechtsbereiche: | Allgemeines Geschäftsbedingungen-Recht, Versicherungsvertragsrecht, Verbraucherschutz |
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| Das Problem: | Ein Verbraucherschutzverband klagte gegen einen Versicherer, weil dessen Klausel zur Anpassung der Prämien in der Unfall-Zusatzversicherung unwirksam sei. Die Klausel wurde als einseitig und kundenunfreundlich kritisiert. |
| Die Rechtsfrage: | Darf der Versicherer die Prämien erhöhen, wenn sich der Leistungsbedarf ändert, aber Senkungen nur dann vornehmen, wenn neue Tarife günstiger sind? Ist diese ungleiche Behandlung zulässig? |
| Die Antwort: | Nein, die Klausel ist unzulässig und unwirksam. Sie benachteiligt die Versicherungsnehmer unangemessen, weil sie dem Versicherer keine gleichwertige Pflicht zur Senkung der Prämie bei gesunkenen Kosten auferlegt. |
| Die Bedeutung: | Die Versicherung muss die Verwendung dieser konkreten Prämienanpassungsklausel sofort unterlassen, auch in bereits bestehenden Altverträgen. Für die Versicherten gilt das gesetzliche Kündigungsrecht nicht als ausreichender Ausgleich für diese Unfairness. |
Der Fall vor Gericht
Ist eine Klausel fair, die Preiserhöhungen zur Autobahn und Preissenkungen zum Feldweg macht?
Für eine Versicherungsgesellschaft schien der Weg zu höheren Prämien gut ausgebaut: Eine Klausel in den Verträgen ihrer „Multi-Rente“ erlaubte eine Anhebung, wenn die Kosten stiegen. Ein verständlicher Mechanismus, um das Geschäft zu sichern. Doch der Weg zurück zu niedrigeren Prämien glich einer holprigen Nebenstrecke mit unklaren Abzweigungen. Die Bedingungen für eine Senkung waren ganz andere als die für eine Erhöhung. Ein Verbraucherschutzverband sah darin eine vertragliche Einbahnstraße zu Lasten der Kunden. Er klagte vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe mit einem klaren Ziel: Diese ungleiche Verkehrsregelung im Vertragswerk zu stoppen.
Warum sah der Verbraucherverband hier eine unzulässige Schieflage?
Der Knackpunkt lag im Kleingedruckten – einer sogenannten Prämienanpassungsklausel. Diese Klausel verstieß nach Ansicht der Kläger gegen ein ungeschriebenes, aber fundamentales Vertragsprinzip: das Symmetriegebot. Es besagt, dass die Chancen und Risiken in einem Vertrag fair verteilt sein müssen. Eine Klausel, die einem Unternehmen das Recht gibt, gestiegene Kosten an den Kunden weiterzureichen, muss ihm spiegelbildlich die Pflicht auferlegen, gesunkene Kosten ebenso weiterzugeben. Genau diese Symmetrie fehlte hier. Für eine Erhöhung der Prämie reichte es laut Klausel, wenn sich der „Leistungsbedarf“ unvorhersehbar veränderte. Im Klartext: Wenn die Versicherung im Schnitt mehr zahlen musste, durfte sie mehr Geld von allen Versicherten verlangen….