Eine Sachbearbeiterin klagte nach zwölf Jahren Schikanen auf über 30.000 Euro Schmerzensgeld nach Mobbing am Arbeitsplatz. Obwohl das Gericht die jahrelangen Verletzungen des Persönlichkeitsrechts anerkannte, scheiterte ihre Hauptforderung. Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Sa 219/19 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg‑Vorpommern
- Datum: 10.06.2020
- Aktenzeichen: 3 Sa 219/19
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Schadensersatzrecht, Persönlichkeitsrecht
- Das Problem: Eine langjährige Angestellte warf ihrer Arbeitgeberin vor, sie über Jahre hinweg durch Vorgesetzte systematisch gemobbt zu haben. Sie forderte Schmerzensgeld von mindestens 30.000 Euro sowie Ersatz für alle materiellen Schäden wegen Gesundheitsverletzungen.
- Die Rechtsfrage: Ist ein Arbeitgeber zum Schmerzensgeld verpflichtet, wenn Mobbingvorwürfe zwar das Persönlichkeitsrecht verletzten, aber der kausale Zusammenhang zu den schweren gesundheitlichen Folgen fehlt?
- Die Antwort: Ja, aber nur in einem sehr geringen Umfang. Das Gericht sprach der Klägerin 2.500 Euro Schmerzensgeld wegen nachgewiesener Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu. Weitergehende Forderungen scheiterten, da die Klägerin den ursächlichen Zusammenhang zwischen den Vorfällen und ihren schweren Erkrankungen nicht beweisen konnte.
- Die Bedeutung: Opfer von Mobbing erhalten nur dann umfassenden Schadensersatz, wenn sie die Kausalkette zwischen den Handlungen und den konkreten Gesundheitsschäden zweifelsfrei nachweisen können. Einzelne, gut dokumentierte Bloßstellungen können jedoch bereits einen Anspruch auf geringes Schmerzensgeld wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung begründen.
Der Fall vor Gericht
Womit scheiterte die Klägerin nach einem Jahrzehnt des Mobbings?
Über Jahre führte eine Sachbearbeiterin akribisch Tagebuch über Demütigungen, Schikanen und Arbeitsüberlastung durch ihre Vorgesetzte. Es sollte ihre stärkste Waffe im Kampf um Gerechtigkeit werden. Doch vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern zeigte sich, dass selbst die detaillierteste Chronik des Leidens an einer entscheidenden Hürde scheitern kann. Die Frau forderte über 30.000 Euro Schmerzensgeld. Zugesprochen bekam sie am Ende 2.500 Euro. Die Geschichte hinter dieser Differenz ist eine Lektion über den schmalen Grat zwischen erlittenem Unrecht und dem, was vor Gericht beweisbar ist.
Worum ging es in dem jahrelangen Konflikt?
Eine Sachbearbeiterin, seit 1986 im Amt für Stadtentwicklung beschäftigt und einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt, sah sich über zwölf Jahre hinweg systematischen Schikanen ihrer direkten Vorgesetzten ausgesetzt. Ihr Vorwurf war massiv und detailliert. Sie sprach von gezieltem „Zuschütten“ mit Arbeit, öffentlichen Bloßstellungen vor Kollegen und Bauherren, dem Zurückhalten ihrer Stellungnahmen und der systematischen Isolation im Team. Sie dokumentierte, wie man sie nach krankheitsbedingten Ausfällen bewusst nicht wieder einarbeitete und ihr fachliche Äußerungen verbat. Diese Behandlung, so ihr Vortrag, ruinierte ihre psychische Gesundheit. Es folgten zahlreiche stationäre und teilstationäre Klinikaufenthalte über Jahre hinweg. Mit einem Bündel an ärztlichen Unterlagen und ihrem „Mobbingtagebuch“ zog sie vor Gericht. Sie forderte Schmerzensgeld und die Feststellung, dass ihr Arbeitgeber für alle materiellen Schäden haften müsse, die aus dem Mobbing entstanden sind oder noch entstehen werden….