Ein Mann saß nach der rückwirkenden Strafmilderung durch das Cannabisgesetz mehrere Tage zu Unrecht in Haft und forderte daraufhin Entschädigung bei Straferlass durch Cannabisgesetz. Die entscheidende Frage lautete, ob der nachträgliche Erlass eine Korrektur des Urteils oder lediglich eine politische Amnestie darstellte. Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Ws 269/25 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
- Datum: 20. August 2025
- Aktenzeichen: 1 Ws 269/25
- Verfahren: Entschädigungsverfahren (wegen Strafverfolgungsmaßnahmen)
- Rechtsbereiche: Entschädigungsrecht, Strafvollstreckung, Cannabisgesetz
- Das Problem: Ein Mann verbüßte eine Gesamtfreiheitsstrafe, die nachträglich wegen des Cannabisgesetzes reduziert werden musste. Er beantragte eine Entschädigung vom Staat für den einen Monat, den er aufgrund der Gesetzesänderung zu viel in Haft saß.
- Die Rechtsfrage: Muss der Staat eine Entschädigung zahlen, wenn eine Haftstrafe nachträglich durch ein neues Gesetz (Cannabisgesetz) reduziert wird und der Betroffene bereits zu lange in Haft saß?
- Die Antwort: Nein. Das Gesetz zur Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen gilt nur, wenn die ursprüngliche Verurteilung selbst im Nachhinein als ungerechtfertigt korrigiert wird. Der Straferlass durch das Cannabisgesetz ist eine allgemeine Amnestie und keine solche Korrektur.
- Die Bedeutung: Eine Entschädigung für zu Unrecht erlittene Haft infolge des gesetzlichen Straferlasses nach dem Cannabisgesetz kann nicht über das standardisierte Entschädigungsgesetz für Strafverfolgungsmaßnahmen geltend gemacht werden.
Der Fall vor Gericht
Warum gibt es kein Geld für einen Monat Haft, der durch das Cannabisgesetz „zu viel“ war?
Ein Gefangener wird aus der Haft entlassen, weil seine Strafe verkürzt wurde. Das klingt nach einem Sieg für die Gerechtigkeit, nach der Korrektur eines Fehlers. Doch in diesem Fall war es anders. Der Mann war nicht unschuldig. Das ursprüngliche Urteil war nicht falsch. Stattdessen hatte der Gesetzgeber die Spielregeln geändert und den Besitz von Cannabis in kleinen Mengen entkriminalisiert. Seine Strafe wurde nicht korrigiert, sie wurde erlassen. Genau dieser feine, aber entscheidende Unterschied – zwischen der Korrektur eines Justizirrtums und einem Akt politischer Gnade – stand im Zentrum eines Streits um eine Entschädigung für einen Monat, den der Mann zu lange hinter Gittern saß.
Wie kam es zu dem einen Monat „Überhaft“?
Ein Mann wurde wegen Drogenbesitzes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Diese Strafe setzte sich aus zwei Einzelstrafen zusammen, eine davon für den Besitz von zwei Marihuana-Joints. Später kam eine Geldstrafe wegen Körperverletzung hinzu. Als die Bewährung widerrufen wurde, bildete das Gericht aus allen Strafen eine neue Gesamtstrafe von sechs Monaten. Der Mann trat seine Haft am 11. Oktober 2023 an. Dann kam der 1. April 2024. An diesem Tag trat das neue Cannabisgesetz (CanG) in Kraft. Dieses Gesetz sah vor, dass bestimmte alte Verurteilungen wegen Cannabisbesitzes rückwirkend erlassen werden sollten. Das geschieht über eine Regelung im Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (Art. 313 Abs. 1 EGStGB), die durch das neue Gesetz aktiviert wurde. Für den Häftling bedeutete das: Die Einzelstrafe für die zwei Joints fiel weg. Die Justiz musste seine Gesamtstrafe neu berechnen. Die Strafvollstreckungskammer setzte die Haft auf fünf Monate herab….