Ein hochqualifizierter Nachlasspfleger forderte in einem Erbfall vor dem OLG Stuttgart den angemessenen Stundensatz für den Nachlasspfleger von 120 Euro pro Stunde. Die Erben wehrten sich, denn ältere Gerichtsentscheidungen schienen eine starre Obergrenze für diese Vergütung festzulegen. Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 W 111/22 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
- Datum: 31.01.2025
- Aktenzeichen: 8 W 111/22
- Verfahren: Beschwerde gegen die Festsetzung der Nachlasspflegervergütung
- Rechtsbereiche: Nachlassrecht, Vergütungsrecht
- Das Problem: Erben legten Beschwerde gegen die festgesetzte Vergütung des Nachlasspflegers ein. Sie hielten den Stundenlohn von 120,00 Euro für überhöht. Sie verlangten eine Reduzierung des Satzes auf maximal 100,00 Euro.
- Die Rechtsfrage: Darf ein professioneller Nachlasspfleger für eine besonders schwierige und umfangreiche Nachlassverwaltung einen Stundensatz von 120 Euro abrechnen?
- Die Antwort: Ja. Das Gericht wies die Beschwerde der Erben zurück und bestätigte den Stundensatz von 120,00 Euro. Die hohe Qualifikation des Pflegers und die komplizierte Erbenermittlung rechtfertigen diesen Satz.
- Die Bedeutung: Gerichte haben bei der Festsetzung der Vergütung eines Nachlasspflegers einen weiten Ermessensspielraum. Bei einem gehobenen Schwierigkeitsgrad oder hoher Fachkenntnis des Pflegers sind höhere Stundensätze zulässig.
Der Fall vor Gericht
Warum stritten die Erben über 20 Euro pro Stunde?
Die Suche nach Erben kann zur Detektivarbeit werden. Gibt es keine Kinder oder Enkel, gräbt sich ein Nachlasspfleger tief in alte Kirchenbücher und verstaubte Archive. Ein solcher „Erben-Detektiv“ hatte in einem Fall aus Besigheim Erfolg – und stellte dafür 120 Euro pro Stunde in Rechnung. Den gefundenen Erben war das zu teuer. Sie zogen vor das Oberlandesgericht Stuttgart, bewaffnet mit einem älteren Urteil, das einen Satz von 100 Euro als angemessen ansah. Damit begann ein juristisches Tauziehen um die Frage: Definiert die Vergangenheit den Preis für komplexe Arbeit in der Gegenwart? Die Erben legten gegen den Vergütungsbeschluss des Amtsgerichts Besigheim Beschwerde ein. Ihre Rüge war präzise. Sie stellten nicht den Zeitaufwand des Pflegers infrage, sondern allein die Höhe seines Stundensatzes. 120 Euro seien unangemessen. Sie verwiesen auf eine frühere Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart, in der 100 Euro anerkannt wurden. Dieser Betrag sei üblich und ausreichend. Der Nachlasspfleger sah das anders. Er argumentierte mit seiner hohen Qualifikation als Württembergischer Notariatsassessor und den Besonderheiten des Falles. Der Nachlass war wertvoll. Die Erbfolge war kompliziert. Er musste Erben bis in die dritte Ordnung aufspüren – eine anspruchsvolle Aufgabe, die einen höheren Satz rechtfertige.
Welche Kriterien bestimmen den Stundensatz eines Nachlasspflegers?
Das Gericht musste eine klare Linie ziehen. Die Vergütung eines berufsmäßigen Nachlasspflegers ist gesetzlich geregelt. Nach den maßgeblichen Vorschriften (§§ 1915 Abs. 1, 1836 BGB in der damals geltenden Fassung) hat er Anspruch auf eine Angemessene Vergütung. Was „angemessen“ bedeutet, ist nicht in Euro und Cent festgelegt. Die Rechtsprechung hat über Jahre Kriterien entwickelt, um diesen unbestimmten Begriff mit Leben zu füllen. Der entscheidende Punkt ist: Es gibt keinen Pauschalsatz. Die Höhe des Stundensatzes bemisst sich an zwei zentralen Faktoren….