Die Baubehörde erklärte die Baulast-Löschung wegen Änderung im Abstandsflächenrecht für rechtmäßig, weil neue Vorschriften die erforderlichen Grundstücksabstände stark reduzierten. Doch die zugrundeliegende Verpflichtung war explizit „auf Dauer“ eingetragen – darf die Behörde diese feste Zusage einseitig aufheben? Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 B 33/19 SN | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Verwaltungsgericht Schwerin
- Datum: 05.06.2019
- Aktenzeichen: 2 B 33/19 SN
- Verfahren: Einstweiliger Rechtsschutz (Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung)
- Rechtsbereiche: Bauordnungsrecht, Verwaltungsrecht
- Das Problem: Eine Eigentümerin wehrte sich gegen den Teilverzicht der Baubehörde auf eine alte Abstandsflächenbaulast zugunsten des Nachbarn. Dieser Verzicht sollte den Neubau eines Hotels ermöglichen, weshalb die Behörde die Sofortige Vollziehung des Verzichts anordnete.
- Die Rechtsfrage: Darf die Baubehörde eine jahrzehntealte Abstandsflächenbaulast teilweise löschen, wenn sich die gesetzlichen Abstandsregeln inzwischen geändert haben und ein öffentliches Sicherungsinteresse nicht mehr besteht?
- Die Antwort: Der Antrag wurde abgelehnt. Der behördliche Teilverzicht ist voraussichtlich rechtmäßig, weil das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der ursprünglichen, weiterreichenden Baulast durch die geänderten Baugesetze entfallen ist. Die sofortige Umsetzung des Verzichts ist zulässig, da sie die Ausnutzbarkeit der bereits erteilten Baugenehmigung sichert.
- Die Bedeutung: Eine Baulast, die Abstandsflächen sichert, ist nicht automatisch „auf Dauer“ unveränderbar. Behörden können eine solche Baulast teilweise aufheben, wenn Gesetzesänderungen (wie die Verringerung der erforderlichen Abstandsfläche) das ursprüngliche öffentliche Sicherungsbedürfnis entfallen lassen.
Der Fall vor Gericht
Kann eine Behörde eine für „auf Dauer“ eingetragene Baulast einfach streichen?
Ein Versprechen, in Stein gemeißelt – oder zumindest im Baulastenverzeichnis. Im Jahr 1994 sicherte sich eine Wohnungseigentümergemeinschaft per Baulast wertvollen Abstand zum Nachbargrundstück. Diese Vereinbarung sollte „auf Dauer“ gelten. Jahrzehnte später will der neue Nachbar, ein Hotelinvestor, ein großes Bauprojekt starten. Die zuständige Baubehörde winkt einen Teil der alten Baulast einfach weg, um dem Neubau Platz zu machen. Die Eigentümerin wehrt sich und zieht vor das Verwaltungsgericht Schwerin. Ein Detail in der alten Vereinbarung und eine spätere Gesetzesänderung sollten den Fall entscheiden.
Warum zählte eine Gesetzesänderung mehr als die alte Abmachung?
Das Gericht stellte eine zentrale Frage: Welchem Zweck diente die Baulast von 1994? Die Antwort fand sich in der damaligen Verpflichtungserklärung. Die Baulast sollte die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen sichern – konkret nach § 7 Abs. 1 der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern (LBauO M-V) in der damaligen Fassung. Eine Baulast ist kein privater Vertrag, sondern ein Instrument des öffentlichen Rechts. Sie dient dazu, baurechtswidrige Zustände zu verhindern und damit dem öffentlichen Interesse zu genügen. Im Jahr 2006 änderte sich dieses öffentliche Interesse. Der Gesetzgeber novellierte die Landesbauordnung und reduzierte die erforderlichen Abstandsflächen deutlich, von ehemals 1 H (also der vollen Gebäudehöhe) auf nur noch 0,4 H (§ 6 Abs. 5 Satz 1 LBauO M-V). Im Klartext: Gebäude durften dichter aneinander rücken….