Ein Arbeitnehmer forderte den Schwerbehindertenzuschlag aus dem Sozialplan nach einer Werksschließung, obwohl der amtliche Nachweis erst Monate nach der vereinbarten Stichtagsregelung vorlag. Die rückwirkende Anerkennung seiner Behinderung reichte dem Gericht nicht aus. Zusätzlich verlor er seinen Anspruch durch eine verpasste Ausschlussfrist. Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Sa 163/23 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg‑Vorpommern
- Datum: 25.06.2024
- Aktenzeichen: 2 Sa 163/23
- Verfahren: Arbeitsrechtliches Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Sozialplanrecht, Schwerbehindertenrecht
- Das Problem: Eine Mitarbeiterin forderte nach ihrer Kündigung einen Zuschlag von 5.000 € aus dem Sozialplan für Schwerbehinderte. Der Arbeitgeber lehnte die Zahlung ab. Der Nachweis der Schwerbehinderung wurde erst Monate nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses rückwirkend festgestellt.
- Die Rechtsfrage: Muss der Arbeitgeber den Sozialplanzuschlag zahlen, wenn die Schwerbehinderung zwar rückwirkend gilt, der amtliche Nachweis aber zum Stichtag des Ausscheidens noch nicht vorlag?
- Die Antwort: Nein, die Klage wurde abgewiesen. Der Sozialplan legte fest, dass der amtliche Nachweis der Schwerbehinderung als Anspruchsvoraussetzung bereits am Tag des Ausscheidens vorliegen musste. Eine spätere rückwirkende Feststellung reicht dafür nicht aus.
- Die Bedeutung: Betriebsparteien dürfen in Sozialplänen Stichtagsregelungen treffen. Dies dient der Kalkulierbarkeit der Kosten für das Unternehmen. Ein Anspruch auf Zuschläge entsteht nicht, wenn der Nachweis der Voraussetzung zum Stichtag fehlt.
Der Fall vor Gericht
War die rückwirkende Anerkennung einer Schwerbehinderung für den Sozialplan-Zuschlag zu spät?
In der Welt des Rechts ticken oft zwei Uhren gleichzeitig. Für eine ehemalige Mitarbeiterin war die eine Uhr medizinisch: Ein Landesamt erklärte sie für schwerbehindert und startete diese Uhr rückwirkend zum 1. Januar 2022. Die zweite Uhr war vertraglich: Ihr Anspruch auf einen 5.000-Euro-Zuschlag für Schwerbehinderte aus dem Sozialplan ihrer Firma hing von ihrem Status an ihrem letzten Arbeitstag ab, dem 31. Januar 2023. Das offizielle Dokument, das ihren Status bewies, traf erst Monate nach dem Stopp dieser zweiten Uhr ein. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern musste entscheiden, welche Zeitrechnung rechtlich galt.
Warum verweigerte das Gericht den Zuschlag trotz anerkannter Behinderung?
Der Anspruch der Mitarbeiterin scheiterte an einer präzisen Formulierung im Sozialplan. Dieser Vertrag, den Arbeitgeber und Betriebsrat zur Milderung der Folgen einer Werksschließung ausgehandelt hatten, enthielt eine sogenannte Stichtagsregelung. Für den zusätzlichen Abfindungszuschlag von 5.000 Euro hieß es dort unmissverständlich, die Berechtigung setze einen „gültigen Schwerbehindertenausweis“ oder „anderweitige amtliche Nachweise“ voraus. Der entscheidende Punkt war die Ergänzung: Die Voraussetzungen mussten „zum Stichtag seines Ausscheidens“ erfüllt sein. Das Gericht legte diese Klausel nach den strengen Regeln für Betriebsvereinbarungen aus, die ähnlich wie Tarifverträge wirken (§ 77 Abs. 4 BetrVG). Die Richter kamen zu einem klaren Ergebnis: Die Klausel verlangte nicht nur das faktische Bestehen einer Schwerbehinderung am letzten Arbeitstag. Sie forderte auch den amtlichen Nachweis zu diesem Zeitpunkt….