Ein Siebtklässler wurde im Schulgebäude bei einer Rauferei verletzt, während er auf seinen privaten Instrumentalunterricht wartete, der Voraussetzung für einen schulischen Wahlpflichtkurs war. Trotz dieser engen Verknüpfung drehte sich der juristische Streit nun darum, ob der Versicherungsschutz für Schüler in der Wartezeit noch galt. Zum vorliegenden Urteil Az.: L 5 U 10/17 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern
- Datum: 08.02.2023
- Aktenzeichen: L 5 U 10/17
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Gesetzliche Unfallversicherung
- Das Problem: Ein Schüler wurde kurz nach dem planmäßigen Unterrichtsende in der Schule von einem Mitschüler verletzt. Zum Zeitpunkt des Unfalls wartete er auf seinen privaten Klarinettenunterricht in einem Schulraum.
- Die Rechtsfrage: Gilt ein Unfall, der sich zwischen dem regulären Unterricht und einem privaten, aber für den schulischen Wahlpflichtunterricht notwendigen Kurs ereignet, noch als versicherter Schulunfall?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht urteilte, dass der Instrumentalunterricht ausschließlich privatrechtlich zwischen dem Lehrer und den Eltern vereinbart wurde. Der Unfall hatte keinen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit der Schule.
- Die Bedeutung: Der gesetzliche Unfallschutz für Schüler endet, wenn die Aktivität oder Wartezeit nicht mehr zum organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule gehört. Eine bloße Raumvermietung durch die Schule für private Kurse begründet keinen Versicherungsschutz.
Der Fall vor Gericht
War der Angriff auf den Schüler ein Schulunfall bei privatem Instrumentalunterricht?
Es sah aus wie Schule. Es fühlte sich an wie Schule. Der Musiklehrer war von der Schule, der Unterrichtsraum war in der Schule, und die Teilnahme war Voraussetzung für die Mitwirkung an Schulkonzerten. Doch als ein Schüler in der Wartezeit auf diesen Unterricht verletzt wurde, behauptete die Unfallversicherung: Das alles war nur Fassade. Hinter dem scheinbar schulischen Angebot verbarg sich eine rein private Vereinbarung. Das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern musste tief in die Organisation einer Privatschule blicken, um zu klären, ob der Schein trügt – und wer am Ende für die Folgen einer Schlägerei aufkommen muss.
Worum genau ging der Streit?
Ein Siebtklässler wartete nach dem regulären Unterrichtsende gegen 15 Uhr in einem Klassenraum auf seinen Klarinettenunterricht, der um 16 Uhr beginnen sollte. In dieser Stunde geriet er mit Mitschülern aneinander. Aus einer Kreidewerferei entwickelte sich eine Rauferei, in deren Verlauf der Junge einen Schlag ins Gesicht bekam. Die Diagnose im Krankenhaus: Schädelprellung, Zahnfraktur und Nasenprellung. Die gesetzliche Unfallversicherung, die für Schulunfälle zuständig ist, weigerte sich zu zahlen. Ihre Position war klar: Der reguläre Schultag war vorbei. Der Klarinettenunterricht sei eine private Angelegenheit gewesen, nicht Teil des schulischen Angebots. Der Schüler und seine Eltern sahen das anders. Für sie war der Instrumentalunterricht ein fester Bestandteil des Wahlpflichtkurses „Bläserklasse plus“ und damit eine schulische Veranstaltung. Der Fall landete vor Gericht, das die entscheidende Frage beantworten musste: Fiel der Schüler noch unter den gesetzlichen Unfallschutz für Schüler, wie er in § 2 Abs. 1 Nr. 8b des Siebten Sozialgesetzbuches (SGB VII) geregelt ist?
Wie argumentierte die Familie des Schülers?…