Ein Schweißer kämpfte um die Anerkennung der Kniearthrose als Berufskrankheit 2112, nachdem er über 37.100 Stunden kniend gearbeitet hatte. Die Unfallversicherung verwies auf Übergewicht als Hauptursache, doch das Landessozialgericht bewertete die Kausalität neu. Zum vorliegenden Urteil Az.: L 5 U 58/17 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landessozialgericht Mecklenburg‑Vorpommern
- Datum: 10.02.2021
- Aktenzeichen: L 5 U 58/17
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Berufskrankheitenrecht, Sozialrecht, Versicherungsrecht
- Das Problem: Ein ehemaliger Schweißer klagte, weil die gesetzliche Unfallversicherung seine beidseitige Kniearthrose (Gonarthrose) nicht als Berufskrankheit 2112 anerkennen wollte. Die Versicherung argumentierte mit konkurrierenden Ursachen wie Übergewicht, Meniskusschäden und alten Verletzungen.
- Die Rechtsfrage: Muss die Unfallversicherung die Kniearthrose als Berufskrankheit anerkennen, wenn die berufliche Tätigkeit die geforderte Mindestbelastung (13.000 Stunden Knien) deutlich überschritten hat, aber auch andere gesundheitliche Risikofaktoren vorliegen?
- Die Antwort: Ja. Das Gericht verpflichtete die Unfallversicherung zur Anerkennung der Kniearthrose. Die extrem lange berufliche Belastung (ca. 37.100 Stunden) war die wesentliche Ursache.
- Die Bedeutung: Eine massive Überschreitung der erforderlichen kumulativen Kniebelastung ist ein sehr starkes Indiz für die berufliche Verursachung. Konkurrierende Faktoren wie leichtes Übergewicht oder sekundäre Meniskusschäden dürfen die Anerkennung in solchen Fällen nicht verhindern.
Der Fall vor Gericht
War es der Job oder das Schicksal? Der lange Kampf eines Schweißers um Anerkennung seiner Kniearthrose
Die Knie eines langjährigen Schweißers waren zerstört. Die Diagnose: fortgeschrittene Arthrose. Der Fall schien klar – die jahrzehntelange Arbeit im Knien musste der Täter sein. Doch die gesetzliche Unfallversicherung präsentierte eine ganze Reihe anderer Verdächtiger: eine alte Sportverletzung, eine leichte O-Bein-Stellung, das Körpergewicht des Mannes und sogar eine Gichterkrankung. Der Prozess vor dem Landessozialgericht wurde zu einer medizinischen Spurensuche. Die Richter mussten wie Detektive ermitteln, welche dieser Ursachen den entscheidenden Beitrag zum Schaden geleistet hatte – und welche nur falsche Fährten waren.
Zählt jede Arbeitsstunde auf den Knien?
Der erste Prüfstein für die Anerkennung einer Gonarthrose als Berufskrankheit ist eine mathematische Hürde. Die Berufskrankheiten-Verordnung verlangt unter der Nummer 2112 einen klaren Nachweis: Der Betroffene muss während seines Arbeitslebens mindestens 13.000 Stunden im Knien oder in einer vergleichbaren Haltung gearbeitet haben. Zudem muss die Belastung pro Arbeitsschicht mindestens eine Stunde betragen haben. Für den Schweißer, der von 1979 bis 2012 auf einer Werft tätig war, wurde diese Rechnung zur Grundlage seines Anspruchs. Er gab an, 95 Prozent seiner Arbeitszeit knieend verbracht zu haben. Die Unfallversicherung schickte ihren Präventionsdienst, um diese Angaben zu überprüfen. Das Ergebnis war eindeutig und pulverisierte jeden Zweifel. Die Experten errechneten eine Kumulative Einwirkungsdauer von rund 37.100 Stunden. Der Grenzwert von 13.000 Stunden war bereits im Jahr 1990 überschritten. Damit stand der erste Baustein für die Anerkennung fest: Die arbeitstechnischen Voraussetzungen waren mehr als erfüllt….