Eine Bürokauffrau wurde abgemahnt, weil sie ihre Abmeldepflicht bei Streik für Arbeitnehmer missachtete und sich vor einem ganztägigen Warnstreik nicht beim Chef meldete. Obwohl der Arbeitgeber auf formaler Mitteilung bestand, berief sich die Angestellte auf ein überraschendes, tarifliches Schutzrecht. Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Sa 123/23 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
- Datum: 25.06.2024
- Aktenzeichen: 2 Sa 123/23
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Streikrecht, Tarifrecht
- Das Problem: Eine Bürokauffrau nahm an einem gewerkschaftlichen Warnstreik teil. Ihr Arbeitgeber mahnte sie daraufhin ab, weil er das Fernbleiben als Unentschuldigtes Fehlen wertete und eine vorherige Abmeldung forderte.
- Die Rechtsfrage: Muss sich ein Arbeitnehmer vor der Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik ausdrücklich beim Arbeitgeber abmelden, damit sein Fehlen nicht sanktioniert werden darf?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht bestätigte, dass die Teilnahme an einem Streik die Arbeitspflicht automatisch beendet. Die Erklärung der Streikteilnahme erfolgt durch das äußere Verhalten des Arbeitnehmers und erfordert keine vorherige Abmeldung.
- Die Bedeutung: Arbeitnehmer müssen sich vor einem Streik nicht explizit beim Arbeitgeber abmelden, um eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens zu vermeiden. Abmahnungen aufgrund von Streikteilnahme fallen oft zusätzlich unter tarifliche Schutzklauseln.
Der Fall vor Gericht
Muss man sich vor einem Streik beim Chef abmelden?
Ein Streik ist ein fundamentales Recht von Arbeitnehmern. Doch was, wenn der Arbeitgeber daraus eine bürokratische Hürde macht? Eine Bürokauffrau aus Mecklenburg-Vorpommern erlebte genau das. Sie nahm an einem ganztägigen Warnstreik teil – und erhielt prompt eine Abmahnung. Der Vorwurf: Sie habe „unentschuldigt gefehlt“, weil sie sich nicht vorab persönlich vom Dienst abgemeldet hatte. Ein Fall, der vor dem Landesarbeitsgericht eine Grundsatzfrage aufwarf: Muss man sich zum Streiken erst ausstempeln?
Weshalb sah der Arbeitgeber die Streikteilnahme als Pflichtverletzung?
Der Arbeitgeber vertrat eine klare Position. Wer nicht zur Arbeit erscheint, muss einen Grund nennen. Eine Krankheit muss gemeldet werden. Ein Urlaub muss genehmigt sein. Ein Streik – so die Argumentation – sei da keine Ausnahme. Die Arbeitspflicht werde nur dann ausgesetzt, wenn der Mitarbeiter seine Teilnahme vorher anmeldet. Ohne eine solche Information wisse der Arbeitgeber nicht, ob der Mitarbeiter streikt, krank ist oder einfach die Arbeit schwänzt. Die Bürokauffrau und ihre Kolleginnen und Kollegen hätten ihre Vorgesetzten nicht informiert. Ihr Fehlen habe zu Störungen im Kundenservice geführt. Für den Arbeitgeber war der Fall klar: Das war ein unentschuldigtes Fehlen und damit ein Grund für eine Abmahnung.
Warum ist das Fernbleiben bei einem Streik kein „unentschuldigtes Fehlen“?
Das Landesarbeitsgericht pulverisierte die Argumentation des Arbeitgebers. Es stützte sich dabei auf jahrzehntelange Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Die Richter stellten klar: Die Teilnahme an einem rechtmäßigen, von einer Gewerkschaft organisierten Streik ist keine Verletzung des Arbeitsvertrags. Im Gegenteil, der Streik suspendiert die Hauptpflichten beider Seiten. Der Arbeitnehmer muss nicht arbeiten, der Arbeitgeber muss keinen Lohn zahlen….