Ein Mann forderte 28 Jahre nach einem Arbeitsunfall eine Verletztenrente Erhöhung nach Arbeitsunfall wegen schwerer Schäden an der Halswirbelsäule (HWS). Das Landessozialgericht musste klären, ob unfallfremde Folgeoperationen die medizinische Kausalkette nach fast drei Jahrzehnten unwiederbringlich durchtrennten. Zum vorliegenden Urteil Az.: L 8 U 23/20 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landessozialgericht Schleswig-Holstein
- Datum: 16.12.2024
- Aktenzeichen: L 8 U 23/20
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Unfallversicherung, Arbeitsunfall, Gesetzliche Rente
- Das Problem: Ein Mann erlitt 1986 einen schweren Arbeitsunfall mit Schleudertrauma. Er forderte die Anerkennung einer späten Versteifung der Halswirbelsäule als Unfallfolge und höhere Rentenzahlungen.
- Die Rechtsfrage: Ist eine Verblockung in einem anderen Segment der Halswirbelsäule Jahrzehnte nach dem Erstschaden noch eine hinreichend wahrscheinliche Folge des ursprünglichen Arbeitsunfalls?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht wies die Forderung zurück. Die späte Schädigung ist laut Gutachten hauptsächlich auf andere, nicht unfallbedingte Versteifungen und Degenerationen zurückzuführen.
- Die Bedeutung: Für die Anerkennung späterer Folgeschäden muss der Kausalzusammenhang wissenschaftlich wahrscheinlich sein. Nicht unfallbedingte Vorschädigungen oder spätere Operationen können den Anspruch auf Folgeansprüche verhindern.
Der Fall vor Gericht
Wann ist ein fast 30 Jahre alter Arbeitsunfall noch die Ursache für neue Leiden?
Manchmal fällt der erste Dominostein und es dauert Jahrzehnte, bis der letzte kippt. Im Leben eines Mannes war dieser erste Stein ein Auffahrunfall im Jahr 1986. Eine Operation versteifte einen Teil seiner Halswirbelsäule – eine anerkannte Folge des Arbeitsunfalls. Doch dann, fast 30 Jahre später, gab ein benachbarter Wirbel nach und löste eine Kaskade neurologischer Ausfälle aus. Der Mann sah darin die logische Konsequenz der ersten Versteifung. Seine Unfallversicherung sah eine unterbrochene Kette, in der andere, unfallfremde Ereignisse die wahre Ursache waren. Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein musste die Dominoreihe Stein für Stein zurückverfolgen.
Worum ging es im Kern des jahrzehntelangen Streits?
Ein Mann erlitt 1986 bei einer Dienstfahrt ein schweres Schleudertrauma. Die Ärzte mussten operieren und versteiften das Segment C4/C5 seiner Halswirbelsäule. Die Berufsgenossenschaft erkannte den Vorfall als Arbeitsunfall an. Sie anerkannte auch die Versteifung und ein chronisches Schmerzsyndrom als direkte Unfallfolgen. Über die Jahre wurde die Verletztenrente des Mannes mehrfach angepasst, zuletzt auf eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 Prozent. Die Krankengeschichte des Mannes endete dort nicht. In den späten 90er- und 2000er-Jahren kamen weitere Probleme an der Halswirbelsäule hinzu. Weitere Segmente (C6/7 und C5/6) wurden operiert und versteift. Die Berufsgenossenschaft stufte diese Entwicklungen als unfallunabhängig ein – sie seien auf altersbedingten Verschleiß zurückzuführen. Im Jahr 2014 verschlechterte sich der Zustand des Mannes dramatisch. Nun machte das Segment C3/C4 Probleme, direkt über der allerersten Versteifung. Es kam zu Lähmungen in den Beinen, Inkontinenz und Gefühlsstörungen. Der Mann war überzeugt: Diese neue Katastrophe war eine späte, aber zwingende Folge der ersten Operation….