Ein selbstständiger Unternehmer forderte höheres Krankengeld durch neuen Steuerbescheid, um seine tägliche Zahlung von 30,42 Euro auf über 100 Euro zu steigern. Seine Krankenkasse hielt den nachträglich eingereichten Einkommensteuerbescheid für irrelevant – doch das Gericht sah in der Berechnung eine widerlegbare Vermutung. Zum vorliegenden Urteil Az.: L 6 KR 43/21 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landessozialgericht Mecklenburg‑Vorpommern
- Datum: 16.01.2025
- Aktenzeichen: L 6 KR 43/21
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Krankengeld, Beitragsbemessung, Selbstständigkeit
- Das Problem: Ein selbstständiger Versicherter war arbeitsunfähig und stritt mit seiner Krankenkasse um die Höhe des Krankengeldes. Die Kasse rechnete mit einem alten, niedrigeren Einkommen, obwohl der Versicherte ein höheres Einkommen durch einen neueren Steuerbescheid nachwies.
- Die Rechtsfrage: Muss die Krankenkasse zur Berechnung des Krankengeldes das tatsächliche, höhere Einkommen eines Selbstständigen berücksichtigen, auch wenn dies erst durch einen späteren Steuerbescheid nach Beginn der Krankheit nachgewiesen wird?
- Die Antwort: Ja, der Versicherte hat Anspruch auf höheres Krankengeld. Die Krankenkasse muss ein höheres, durch einen späteren Steuerbescheid nachgewiesenes Einkommen berücksichtigen, wenn der Widerspruch rechtzeitig erfolgte und die Festsetzung noch nicht endgültig war.
- Die Bedeutung: Das Urteil stellt klar, dass die Krankenkasse das tatsächliche Arbeitseinkommen von Selbstständigen umfassend ermitteln muss. Sie kann die Berücksichtigung von höheren Einkünften nicht ablehnen, wenn der Nachweis rechtzeitig eingereicht wird.
Der Fall vor Gericht
Worum ging es bei diesem Streit um das Krankengeld?
Ein einziges Blatt Papier kann Tausende von Euro wert sein. Für einen selbstständigen Unternehmer, der gegen eine schwere Erkrankung kämpfte, war dieses Papier sein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017. Seine Krankenkasse hatte sein Krankengeld auf Basis eines viel schwächeren Geschäftsjahres 2016 berechnet. Das Ergebnis war eine schmerzhaft niedrige tägliche Zahlung. Als der Mann das neue Dokument einreichte, das ein mehr als verdreifachtes Einkommen nachwies, erwartete er eine einfache Korrektur. Stattdessen mauerte die Kasse. Sie argumentierte, das Gesetz sei unumstößlich: Die Berechnung basiere auf den Unterlagen, die zu Beginn der Krankheit vorlagen. Die Richter des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern mussten entscheiden, ob dieser Papierstapel nachträglich aktualisiert werden durfte – und ob die Gerechtigkeit es verlangte.
Warum berechnete die Krankenkasse das Krankengeld so niedrig?
Die Krankenkasse folgte zunächst einer Standardprozedur. Für die Berechnung des Krankengeldes bei Selbstständigen dient das Arbeitseinkommen als Grundlage. Um dieses schnell und unkompliziert zu ermitteln, greift das Gesetz auf einen praktischen Anker zurück: das Einkommen, das zuletzt für die Beitragsbemessung herangezogen wurde. Diese Regel findet sich in § 47 Absatz 4 Satz 2 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V). Im Fall des Unternehmers war das sein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016. Dieser wies ein Gewerbeeinkommen von 15.642 Euro aus. Daraus ergab sich ein tägliches Krankengeld von nur 30,42 Euro. Die Kasse sah ihre Berechnung als korrekt an. Sie stützte sich auf den zuletzt vorliegenden, offiziellen Bescheid….