Eine Klägerin litt unter Wirbelsäulenschäden, Gelenkverschleiß und Eierstockverlust und wollte ihren Grad der Behinderung berechnen bei mehreren Krankheiten. Sie forderte einen Gesamt-GdB 50, doch die versorgungsmedizinischen Grundsätze folgen keiner einfachen Addition der Einzelwerte. Zum vorliegenden Urteil Az.: L 3 SB 10/23 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern
- Datum: 17.09.2024
- Aktenzeichen: L 3 SB 10/23
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Schwerbehindertenrecht, Sozialrecht
- Das Problem: Eine Klägerin forderte einen Grad der Behinderung (GdB) von 50. Der Beklagte und das erstinstanzliche Gericht hatten lediglich einen Gesamt-GdB von 20 anerkannt. Die Frau sah ihre Beschwerden an der Wirbelsäule, den Gelenken und der Verlust ihrer Eierstöcke als unterbewertet an.
- Die Rechtsfrage: Erreichen die festgestellten orthopädischen und gynäkologischen Funktionseinschränkungen der Klägerin einen Gesamt-GdB von 50?
- Die Antwort: Nein. Das Landessozialgericht wies die Berufung zurück und bestätigte den GdB von 20. Die objektiven Messwerte der Beweglichkeit für Schulter und Knie belegten keine ausreichende Funktionsstörung für einen höheren Gesamt-GdB.
- Die Bedeutung: Das Urteil zeigt, dass für die GdB-Feststellung streng die versorgungsmedizinischen Grundsätze gelten. Einzelne Beschwerden, die einen GdB von 10 rechtfertigen (wie Knie oder Eierstockverlust), führen nicht automatisch zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB über den höchsten Einzelwert (hier GdB 20 für die Wirbelsäule) hinaus.
Der Fall vor Gericht
Warum zählte das Gericht Grad für Grad, statt auf die Schmerzen zu hören?
Ein Gutachter zückt das Messwerkzeug. Arm heben: 160 Grad. Knie beugen: 125 Grad. Für eine Frau, die sich mit Schmerzen in Wirbelsäule, Schultern und Gelenken durch den Alltag kämpft, sind das nur Zahlen. Für das Sozialrecht sind sie alles. Sie sind die kalte Währung, in der bemessen wird, was eine Beeinträchtigung wert ist. Dieser Fall dreht sich um die millimetergenaue Vermessung eines Leidens – und um die Erkenntnis, dass gefühlte Belastung und juristische Realität zwei Welten sein können. Eine Frau, Jahrgang 1963, wollte die Schwerbehinderteneigenschaft ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 anerkannt bekommen. Die zuständige Behörde gewährte ihr nur einen GdB von 20. Der Streit landete vor dem Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern.
Wie wurde aus vielen Diagnosen ein Gesamt-GdB von nur 20?
Die Klägerin listete eine Reihe von Beschwerden auf: chronische Probleme mit der Wirbelsäule, schmerzhafte Schultergelenke, Fingerpolyarthrose, ein lädiertes linkes Knie und der frühere Verlust beider Eierstöcke. Die Behörde und später ein vom Gericht bestellter Gutachter übersetzten diese Diagnosen in die Sprache des Schwerbehindertenrechts. Das Regelwerk dafür sind die versorgungsmedizinischen Grundsätze. Sie fragen nicht nur nach der Krankheit, sondern nach der konkreten Funktionseinschränkung. Der Gutachter kam zu folgendem Ergebnis:
- Wirbelsäule: Die nachgewiesenen degenerativen Veränderungen mit ständigen Schulter-Nacken-Beschwerden bewertete er als mittelgradige Funktionsstörung. Das ergab einen Einzel-GdB von 20. Dieser Wert wurde zum Ankerpunkt der gesamten Berechnung.
- Schultergelenke: Zwar waren die Bewegungen schmerzhaft. Die Arme ließen sich aber noch bis 160 Grad nach vorne und 150 Grad zur Seite heben….