Eine Pflegehelferin versuchte, die Darlegungslast für Überstunden ohne Arbeitszeitkonto mit ihren handschriftlichen Stundenzetteln zu erfüllen. Der Arbeitgeber hatte zwar vertraglich versagt, doch die Notizen enthielten keinen schlüssigen Nachweis für die Anordnung der Mehrarbeit. Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 SLa 55/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
- Datum: 23.07.2024
- Aktenzeichen: 2 SLa 55/24
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Überstunden/Mehrarbeit, Arbeitszeitkonten
- Das Problem: Eine Pflegehelferin forderte die Auszahlung von 1.266 Euro für geleistete Überstunden. Der Arbeitgeber hatte das vertraglich vereinbarte Arbeitszeitkonto nicht geführt.
- Die Rechtsfrage: Hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung von Überstunden, wenn der Arbeitgeber das Arbeitszeitkonto nicht führt, aber der Arbeitnehmer die Stunden nur mit eigenen, handschriftlichen Aufzeichnungen belegt?
- Die Antwort: Nein, die Klage wurde abgewiesen. Das Gericht entschied, dass der Arbeitnehmer auch bei fehlendem Arbeitszeitkonto die genaue Leistung, Zeit und Zurechnung der Überstunden konkret darlegen muss.
- Die Bedeutung: Die Nichterfüllung der Pflicht zur Kontoführung durch den Arbeitgeber führt nicht automatisch zu einer Verschiebung der Beweispflicht zugunsten des Arbeitnehmers. Eigene Stundenzettel genügen nicht, um Ansprüche ohne weitere konkrete Angaben zu belegen.
Der Fall vor Gericht
Wieso können eigene Stundenzettel vor Gericht wertlos sein?
Auf dem Tisch des Gerichts lagen sie, die Hoffnung einer Pflegehelferin: handschriftlich geführte Stundenzettel. Jeder Eintrag ein Zeugnis geleisteter Mehrarbeit, so dachte sie. Ihr Arbeitgeber hatte das vertraglich vereinbarte Arbeitszeitkonto nie geführt, also hatte sie selbst akribisch Buch geführt. Die Summe ihrer Forderung: 1.266 Euro. Doch die Richter des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern sahen in den Zetteln kein fertiges Beweismittel, sondern nur einen Anfang. Einen Anfang, dem der entscheidende zweite Schritt fehlte.
Was macht eine simple Liste von Stunden unzureichend?
Die Pflegehelferin stützte ihre Klage auf eine einfache Logik: Der Arbeitsvertrag versprach ein Arbeitszeitkonto. Der Arbeitgeber führte es nicht. Ihre eigenen Aufzeichnungen mussten die Lücke füllen. Das Gericht durchkreuzte diese Annahme mit einer klaren Linie, die sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) speist. Das Problem lag nicht darin, dass die Zettel handschriftlich waren. Das Problem war ihre fehlende Einbettung in einen schlüssigen Vortrag. Ein Arbeitnehmer, der Überstundenvergütung einklagt, trägt die sogenannte Darlegungslast. Er muss dem Gericht nicht nur sagen, dass er gearbeitet hat. Er muss präzise darlegen, wann er welche Arbeit über die normale Arbeitszeit hinaus geleistet hat. Und – das ist der Knackpunkt – er muss aufzeigen, dass diese Mehrarbeit vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder zumindest zur Erledigung der Arbeit notwendig war. Die vorgelegten Stundenzettel der Pflegerin waren eine bloße Ansammlung von Zahlen. Sie erlaubten dem Gericht keine Prüfung dieser entscheidenden Kriterien. Es war nicht ersichtlich, welche Stunden zur regulären Arbeitszeit gehörten und welche als Überstunden geleistet wurden. Es fehlte jede Angabe dazu, wer die Mehrarbeit veranlasst hatte….