Wegen unzulässiger Aufrechnung mit Ausbildungsvergütung durch den Arbeitgeber sah sich eine angehende Restaurantfachfrau gezwungen, das Ausbildungsverhältnis sofort zu beenden. Diese Verrechnung mit Mietforderungen stellte sich als derart gravierend heraus, dass die fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung wirksam wurde. Zum vorliegenden Urteil Az.: 5 SLa 179/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg‑Vorpommern
- Datum: 17.06.2025
- Aktenzeichen: 5 SLa 179/24
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Berufsausbildungsrecht, Kündigungsrecht, Lohnzahlung/Aufrechnung
- Das Problem: Ein Ausbildungsbetrieb zahlte die monatliche Ausbildungsvergütung nicht aus. Er versuchte, die Forderung mit Ansprüchen aus einem Mietverhältnis zu verrechnen. Die Auszubildende kündigte daraufhin fristlos.
- Die Rechtsfrage: Durfte der Arbeitgeber die Ausbildungsvergütung wegen angeblicher Schulden einbehalten? War die fristlose Kündigung der Auszubildenden deshalb wirksam?
- Die Antwort: Ja, die fristlose Kündigung der Auszubildenden war wirksam. Der Betrieb durfte die Ausbildungsvergütung nicht mit Mietforderungen verrechnen, da sie unpfändbar ist.
- Die Bedeutung: Ausbildungsvergütung ist unpfändbar und muss immer ausgezahlt werden. Die endgültige Verweigerung der Zahlung durch den Betrieb ist ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung durch den Auszubildenden.
Der Fall vor Gericht
Was war der Auslöser für die fristlose Kündigung?
Ein Kündigungsversuch, dann noch einer. Ein Schlichtungsverfahren, dann das nächste. Der Streit zwischen einer Auszubildenden zur Restaurantfachfrau und ihrer Chefin zog sich über Monate. Doch die juristische Schlacht entschied sich nicht durch die vielen kleinen Gefechte zuvor. Sie endete mit einem einzigen Brief der Restaurantinhaberin. In diesem Schreiben verweigerte sie die Zahlung der letzten Ausbildungsvergütung – und lieferte der Auszubildenden damit unwissentlich den perfekten Grund für eine sofortige, unanfechtbare Kündigung.
Warum behielt die Arbeitgeberin das Gehalt ein?
Die Inhaberin des italienischen Restaurants hatte eine simple, aber fehlerhafte Logik. Die Auszubildende, eine junge Frau aus dem Ausland, wohnte in einer vom Betrieb gestellten Mitarbeiterwohnung. Die Miete von 300 Euro wurde normalerweise direkt von der Ausbildungsvergütung abgezogen. Auf Wunsch der Auszubildenden setzte die Chefin diesen Abzug für drei Monate aus. Eine Ratenzahlung für die aufgelaufenen Mietschulden wurde vereinbart. Als die Auszubildende später kündigte, sah die Chefin ihre Chance. Sie rechnete alle möglichen Posten zusammen: offene Mieten, angebliche Mietschäden und die gestundeten Beträge. Das Ergebnis war eine angebliche Gegenforderung von über 2.000 Euro. Mit dieser Begründung verweigerte sie die Auszahlung der fälligen Vergütung für Juli in Höhe von rund 780 Euro netto. Sie sah darin eine simple Verrechnung. Das war ihr entscheidender Denkfehler.
Weshalb war diese Verrechnung rechtswidrig?
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern machte in seiner Entscheidung einen zentralen Punkt unmissverständlich klar: Die Ausbildungsvergütung genießt einen besonderen Schutz. Eine Aufrechnung, wie die Arbeitgeberin sie vornahm, ist nach § 394 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unzulässig, wenn die Forderung des Arbeitnehmers unpfändbar ist….