Ein Industrielackierer verschwieg beim Abschluss seiner Berufsunfähigkeitsversicherung eine komplexe Wirbelsäulenoperation und die Diagnose Spondylodiszitis. Wegen dieser Arglist droht ihm nun nicht nur der Verlust des Schutzes, sondern auch der Einbehalt aller über Jahre eingezahlten Prämien. Zum vorliegenden Urteil Az.: 16 U 118/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
- Datum: 21.07.2025
- Aktenzeichen: 16 U 118/24
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Versicherungsvertragsrecht, Arglistige Täuschung, Berufsunfähigkeitsversicherung
- Das Problem: Ein Versicherungsnehmer klagte auf Zahlung seiner Berufsunfähigkeitsrente wegen Schulterbeschwerden. Die Versicherung lehnte die Leistung ab. Sie erklärte den Vertrag für nichtig, weil der Kläger im Antrag schwere frühere Wirbelsäulenleiden verschwiegen hatte.
- Die Rechtsfrage: Durfte die Versicherung den Vertrag nachträglich ungültig machen, weil der Versicherungsnehmer im Antrag wichtige Vorerkrankungen absichtlich verschwiegen hat?
- Die Antwort: Ja. Das Gericht sah die Falschangaben zu einer Bandscheibenoperation und der postoperativen Entzündung als arglistige Täuschung an. Der Vertrag ist dadurch von Anfang an ungültig.
- Die Bedeutung: Wer bei Gesundheitsfragen relevante Vorerkrankungen bewusst verschweigt, verliert den gesamten Versicherungsschutz. Die Versicherung darf in diesem Fall die bereits gezahlten Beiträge einbehalten.
Der Fall vor Gericht
Was gilt als arglistiges Verschweigen von Vorerkrankungen?
Im Gesundheitsfragebogen für seine Berufsunfähigkeitsversicherung gab ein Industrielackierer im Oktober 2017 pflichtbewusst zwei Dinge an: eine Muskelverhärtung vom Kochen und eine Mandel-Operation. Es war das, was er nicht angab, das seinen Traum von der Absicherung zerstören sollte. Eine schwere Bandscheiben-OP, ein monatelanger Krankenhausaufenthalt wegen einer Entzündung und eine Dauertherapie mit Antibiotika – allesamt Ereignisse, die innerhalb der kritischen Fünfjahresfrist lagen. Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein musste klären, ob das Vergessen war oder Kalkül. Die Antwort fiel eindeutig aus.
Warum wurde der BU-Vertrag Jahre später angefochten?
Der Industrielackierer schloss den Vertrag im November 2017 ab. Er sicherte sich eine monatliche Rente von 1.500 Euro. Vier Jahre später, im August 2021, meldete er einen Leistungsfall. Der Grund waren Schulterbeschwerden. Die Versicherung leitete eine Routineprüfung ein und forderte medizinische Unterlagen an. Dabei kam die Wahrheit ans Licht. Die Krankenakten des Mannes offenbarten eine dramatische Vorgeschichte. Im Jahr 2012 hatte er nicht nur einen Bandscheibenvorfall, sondern eine komplexe Operation an der Lendenwirbelsäule. Nach dem Eingriff entzündeten sich die Bandscheibe und die angrenzenden Wirbelkörper – eine Spondylodiszitis. Die Folge war ein fast zweimonatiger Klinikaufenthalt in der Ostseeklinik Damp, gefolgt von einer monatelangen Antibiotikatherapie und Krankschreibungen. Restbeschwerden und eine leichte Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose) blieben. Nichts davon stand im Antrag. Die Versicherung fackelte nicht lange. Sie erklärte am 15. November 2021 die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung.
Wie begründete der Versicherungsnehmer sein Schweigen?
Der Mann klagte vor dem Landgericht Flensburg auf Zahlung seiner Rente….