Sie standen kurz davor, einen ahnungslosen Autokäufer um 15.000 Euro zu erleichtern – bewaffnet, bereit, rücksichtslos. Doch im allerletzten Moment zogen die Täter die Reißleine. Was für die Vorinstanz ein klarer Fall von versuchtem Raub war, endete vor dem Bundesgerichtshof in einem Freispruch und wirft eine fundamentale Frage des Strafrechts auf: Wann ist ein Verbrechen wirklich ein Versuch?
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der BGH hob eine Verurteilung wegen versuchten Raubes auf, da die Grenze zwischen strafloser Vorbereitung und strafbarem Versuch nicht überschritten war.
- Strafbarer Versuch (§ 22 StGB) erfordert „unmittelbares Ansetzen“ („Jetzt-geht’s-los“): einen festen Tatentschluss und Handlungen, die direkt zur Tat führen.
- Die Täter zögerten und berieten sich; ihr Entschluss war nicht final, wodurch die subjektive Schwelle zum Versuch fehlte.
- Auch objektiv lag kein Versuch vor, da die Opfer geschützt im Auto blieben, die „Gefahrenzone“ nicht betreten wurde und ein wesentlicher Zwischenakt fehlte.
- Das Urteil stärkt den Schutz vor „Gesinnungsstrafrecht“ und verdeutlicht, dass ein rechtzeitiger Abbruch oder Zögern Straflosigkeit bedeuten kann.
- Hinweis: Die Verabredung zu einem Verbrechen kann gem. § 30 StGB auch ohne Versuchsbeginn bereits eigenständig strafbar sein.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 4. März 2025, Az. 3 StR 551/24
BGH zieht klare Grenze: Wann ein geplanter Raub straflos bleibt
Der Plan der beiden Männer, nennen wir sie Herr M. und Herr E., war ebenso perfide wie vermeintlich einfach. Um schnell an Geld zu kommen, inserierten sie auf der bekannten Online-Plattform „mobile.de“ einen BMW mit angeblichem Motorschaden. Der Preis von 15.000 Euro war verlockend genug, um einen Interessenten anzulocken. Doch das Auto war nur ein Köder. Der wahre Plan war, dem Käufer bei der Übergabe das mitgebrachte Bargeld gewaltsam abzunehmen. Alles schien nach Plan zu laufen. Sie mieteten ein Fluchtfahrzeug und fuhren zum vereinbarten, abgelegenen Treffpunkt. Herr E. stieg aus, bewaffnet mit einer Dose Pfefferspray, und postierte sich lauernd auf der Straße, während Herr M. im Auto wartete und die Umgebung sicherte. Sie waren bereit. Doch dann kam die unerwartete Wendung. Ein Auto fuhr vor, doch darin saßen zwei Personen. Der Plan geriet ins Wanken. Hektisch griffen die Täter zum Telefon, um sich zu beraten. Wer von den beiden war der Käufer? Hatten sie das Geld überhaupt dabei? Der Interessent hatte keinen Anhänger mitgebracht, was untypisch für jemanden ist, der ein defektes Auto abholen will. Die Unsicherheit wuchs, die Entschlossenheit schwand. Noch während die beiden potenziellen Opfer im sicheren Inneren ihres Wagens saßen, trafen Herr M. und Herr E. eine Entscheidung: Sie brachen die Aktion ab. Die Frage, die später die höchsten deutschen Strafrichter beschäftigen sollte: War dieser fast durchgeführte Raubüberfall bereits eine strafbare Tat? Oder war es nur eine straflose Vorbereitung, weil die entscheidende Grenze noch nicht überschritten war?
Die überraschende Wende: Warum der Bundesgerichtshof „Nein“ zum Versuch sagte
Für das Landgericht (LG) Koblenz war der Fall klar. Es verurteilte Herrn M. und Herrn E. wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von jeweils über fünf Jahren. Die Richter der Vorinstanz sahen in dem planvollen Vorgehen, dem Auflauern am Tatort und der Bewaffnung bereits den Beginn einer strafbaren Handlung….