Jahrelange Erfahrung am Steuer tonnenschwerer Spezialfahrzeuge – sollte das nicht reichen für ein besseres Gehalt? Ein Fahrer im öffentlichen Dienst glaubte fest daran und zog vor Gericht. Doch das Bundesarbeitsgericht traf eine Entscheidung, die nicht nur seinen Traum platzen ließ, sondern tausenden Kollegen eine unerbittliche Botschaft sendet: Manchmal schlägt ein Stück Papier selbst die bewährteste Praxis.
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Das BAG entschied: Für die höhere Entgeltgruppe 6 (TVöD/VKA) ist ein „Berufskraftfahrer“ nur, wer eine abgeschlossene Berufsausbildung (BKV) vorweisen kann.
- Jahrelange Fahrerfahrung oder die Grundqualifikation (Schlüsselzahl 95) reichen dafür nicht aus.
- Die Klage eines Fahrers von Kehr- und Winterdienstfahrzeugen auf höhere Vergütung wurde daher abgewiesen.
- Seine Tätigkeit wurde nicht als Güter- oder Personenverkehr, sondern als Betrieb von „selbstfahrenden Arbeitsmaschinen“ gewertet.
- Der Kläger konnte zudem keine für „Sonderfahrzeuge“ geforderten, besonderen Fachkenntnisse detailliert belegen.
- Das Urteil bestätigt die Tarifautonomie und unterstreicht den Wert formaler Ausbildung für Fahrer im öffentlichen Dienst.
BAG definiert Fahrergehalt: Warum Ausbildung mehr wiegt als Erfahrung
Für den Kläger, nennen wir ihn Herrn K., ist es seit dem Jahr 2010 tägliche Routine. Früh morgens steigt er in seine 18 Tonnen schwere Großkehrmaschine, ein beeindruckendes Fahrzeug, das mit rotierenden Bürsten und einem riesigen Sauger die Straßen seiner Stadt sauber hält. Im Winter, wenn der Schnee fällt, tauscht er die Kehrmaschine gegen ein ebenso schweres Winterdienstfahrzeug, ausgestattet mit Schneeräumschild und Salzstreuer. Herr K. ist ein erfahrener Fahrer, er besitzt die LKW-Fahrerlaubnis und die im gewerblichen Verkehr unerlässliche Schlüsselzahl 95 im Führerschein, die ihm eine grundlegende Berufskraftfahrerqualifikation bescheinigt. Sein Arbeitgeber, ein kommunaler Betrieb, bezahlt ihn nach der Entgeltgruppe 5 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD/VKA). Doch Herr K. ist überzeugt, dass ihm mehr zusteht. Er sieht sich nicht nur als einfachen Fahrer. Die Bedienung seiner komplexen Fahrzeuge, so argumentiert er, erfordere spezielle Kenntnisse. Außerdem sei er doch das, was man umgangssprachlich einen „Berufskraftfahrer“ nennt. Deshalb klagte er auf eine höhere Eingruppierung in die Entgeltgruppe 6, was für ihn über die Jahre eine Nachzahlung von 4.284,18 Euro brutto und ein dauerhaft höheres Gehalt bedeuten würde. Der Fall landete schließlich vor dem höchsten deutschen Arbeitsgericht, dem Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt. Dort ging es um weit mehr als nur um Herrn K.s Gehalt. Die Richter mussten eine Grundsatzfrage klären, die tausende Fahrer im öffentlichen Dienst betrifft: Was genau unterscheidet tarifrechtlich einen „Fahrer“ von einem „Berufskraftfahrer“? Zählt die jahrelange Erfahrung und die tatsächlich ausgeübte, anspruchsvolle Tätigkeit? Oder kommt es am Ende auf ein einziges, formales Dokument an – das Abschlusszeugnis einer Berufsausbildung? Die Antwort des Gerichts ist ein klares Statement zum Wert formaler Qualifikationen in der deutschen Arbeitswelt.
Ein klares Nein aus Erfurt: Das Gericht schiebt der Klage einen Riegel vor
Der Weg von Herrn K. durch die juristischen Instanzen war eine Achterbahnfahrt. Zunächst gab ihm das Arbeitsgericht Augsburg Recht und sprach ihm die höhere Vergütung zu….