Die Erstattung von Gutachterkosten nach einem Freispruch im Blitzer-Verfahren führte einen Autofahrer und die Staatskasse vor Gericht. Der Kläger hatte sich erfolgreich gegen den Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung gewehrt, doch sein teures Privatgutachten, das den Freispruch ermöglichte, wollte die Staatskasse nicht komplett bezahlen. Musste der Staat die vollen Kosten für den privaten Experten tragen oder durfte der Preis gekürzt werden, weil er über den gesetzlich üblichen Sätzen lag? Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 Qs 53/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Konstanz
- Datum: 07.10.2024
- Aktenzeichen: 4 Qs 53/24
- Verfahren: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Kostenrecht, Bußgeldverfahren, Sachverständigenrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Staatskasse, vertreten durch die Bezirksrevisorin. Sie forderte die Begrenzung der Erstattung von privaten Sachverständigenkosten auf die gesetzlich im JVEG vorgesehenen Sätze.
- Beklagte: Der Betroffene. Er verlangte die volle Erstattung der Kosten seiner privat beauftragten Gutachten und argumentierte, die gesetzlichen Sätze seien nicht anwendbar und die geforderten Stundensätze seien marktüblich.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Nach einem Freispruch im Bußgeldverfahren beantragte der Betroffene die Erstattung der Kosten für zwei private Sachverständigengutachten. Die Staatskasse legte Beschwerde gegen die volle Höhe der vom Amtsgericht festgesetzten Gutachterkosten ein.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Ist die volle Höhe der Kosten für ein privat eingeholtes Sachverständigengutachten, die die gesetzlichen Sätze überschreitet, als Notwendige Auslagen nach einem Freispruch im Bußgeldverfahren von der Staatskasse zu erstatten, und welcher Maßstab gilt für die Angemessenheit der Stundensätze?
Wie hat das Gericht entschieden?
- Beschwerde teilweise stattgegeben: Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde dahingehend abgeändert, dass die zu erstattenden Auslagen des Betroffenen geringfügig gekürzt wurden. Im Übrigen wurde die Beschwerde der Staatskasse als unbegründet zurückgewiesen.
- Kernaussagen der Begründung:
- Erstattungsfähigkeit von Privatgutachten: Kosten für private Gutachten sind dem Grunde nach erstattungsfähig, wenn sie im Bußgeldverfahren, insbesondere bei standardisierten Messverfahren, notwendig waren, um konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vorzutragen.
- JVEG als Richtlinie für Angemessenheit: Das JVEG (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz) ist auf privat beauftragte Sachverständige nicht direkt anwendbar, dient aber als Richtlinie. Eine Abweichung von über 20% vom JVEG-Satz ist nur bei besonderer Darlegung der Notwendigkeit erstattungsfähig.
- Kürzung des Stundensatzes: Der geltend gemachte Stundensatz von 168,75 Euro (25% über JVEG) wurde gekürzt, da ein Stundensatz innerhalb der 20%-Toleranzgrenze (maximal 162,00 Euro) möglich gewesen wäre und die Notwendigkeit eines noch höheren Satzes nicht ausreichend begründet wurde.
- Folgen für die Staatskasse:
- Sie muss die Gutachterkosten des Betroffenen erstatten, jedoch in einer leicht reduzierten Höhe (insgesamt 2.860,77 Euro statt 2.945,11 Euro).
- Sie trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und vier Fünftel der notwendigen Auslagen des Betroffenen.
Der Fall vor Gericht
Geblitzt und freigesprochen – aber wer zahlt das teure Gutachten?…