Ein übersehener Warnhinweis bei einer Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung führte zu dramatischen Geburtsschädigungen bei einem ungeborenen Kind. Nun fordern Krankenkassen von der verantwortlichen Frauenärztin Schadenersatz für dessen lebenslange Pflege. Übernimmt sie wirklich die volle Verantwortung für diese immense finanzielle Belastung? Zum vorliegenden Urteil Az.: 33 O 545/14 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Kempten
- Datum: 10.03.2022
- Aktenzeichen: 33 O 545/14
- Verfahren: Klageverfahren
- Rechtsbereiche: Arzthaftungsrecht, Sozialversicherungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine gesetzliche Krankenversicherung und eine Pflegeversicherung, die als Rechtsnachfolger eines schwer geschädigten Kindes Rückgriffsansprüche gegen die beklagte Ärztin geltend machen.
- Beklagte: Eine Frauenärztin, die die Schwangerschaft der Mutter des Kindes betreut hat und der Behandlungsfehler vorgeworfen werden.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Die Klägerinnen machen Regressansprüche gegen die beklagte Frauenärztin geltend, da sie der Ansicht sind, dass grobe Behandlungsfehler während der Schwangerschaftsbetreuung zu einer schweren Geburtsschädigung des Kindes geführt haben.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Bestand aufgrund der Schwangerschaftsbetreuung durch die Frauenärztin ein grober ärztlicher Behandlungsfehler, der ursächlich für die schwere Geburtsschädigung des Kindes war und somit Rückgriffsansprüche der Krankenkassen begründet?
Wie hat das Gericht entschieden?
- Haftung dem Grunde nach festgestellt: Das Gericht stellte fest, dass die beklagte Frauenärztin dem Grunde nach für die entstandenen und zukünftigen Schäden haftet. Die Höhe des Schadens wurde noch nicht abschließend festgelegt.
- Kernaussagen der Begründung:
- Fehlerhafte CTG-Beurteilung und Durchführung: Die Frauenärztin beurteilte und führte ein CTG am 24.05.2005 nicht nach wissenschaftlichem Standard durch; es war zu kurz und zeigte suspekte Anzeichen, die weitere Maßnahmen erfordert hätten.
- Grob fahrlässiger Befunderhebungsfehler: Das Gericht stufte das Abbrechen der CTG-Aufzeichnung bei suspektem Befund als groben Befunderhebungsfehler ein, da medizinisch notwendige Befunde nicht ausreichend erhoben wurden und dies einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.
- Kausalität vermutet: Aufgrund des groben Behandlungsfehlers wird gemäß § 630h Abs. 5 S. 1 BGB vermutet, dass dieser ursächlich für die schwere Schädigung des Kindes war, da weiterführende Maßnahmen den Schaden hätten vermeiden können.
- Folgen für die Klägerin/den Kläger:
- Die Kranken- und Pflegeversicherung haben dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz der bereits entstandenen und zukünftigen Aufwendungen durch die beklagte Frauenärztin.
- Die genaue Höhe der zu zahlenden Beträge wird in einer späteren Entscheidung festgelegt.
Der Fall vor Gericht
Was passiert, wenn bei einer Routineuntersuchung in der Schwangerschaft ein entscheidender Hinweis übersehen wird?
Stellen Sie sich eine werdende Mutter vor, die regelmäßig zu ihrer Frauenärztin geht. Sie vertraut darauf, dass alles Nötige getan wird, um die Gesundheit ihres ungeborenen Kindes zu überwachen. Doch was geschieht, wenn eine Untersuchung nicht sorgfältig genug durchgeführt wird und dies möglicherweise katastrophale Folgen hat?…