Der Kampf um eine Erwerbsminderungsrente führte eine schwer erkrankte Frau jetzt bis vor das Landessozialgericht Hamburg. Sie war überzeugt, wegen vielfältiger körperlicher und seelischer Leiden nicht mehr arbeiten zu können, doch die Rentenversicherung widersprach. Experten stritten über die wahre Ursache ihrer Beschwerden und wie viel Arbeitsfähigkeit trotz aller Gebrechen noch verbleibt. Wann gilt jemand wirklich als erwerbsunfähig, wenn sich Arztmeinungen und gefühlte Einschränkungen widersprechen? Zum vorliegenden Urteil Az.: L 3 R 40/22 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landessozialgericht Hamburg
- Datum: 11. Juni 2024
- Aktenzeichen: L 3 R 40/22
- Verfahren: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Sozialrecht, Rentenrecht, Erwerbsminderungsrente
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine im Jahr 1963 geborene Frau, die als ungelernte Stationshilfe tätig war und aufgrund psychischer Beschwerden, Bluthochdruck und Übelkeit, später auch chronischer Schmerzen, Rollatorabhängigkeit und Agoraphobie, eine Erwerbsminderungsrente beantragte und eine erhebliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geltend machte.
- Beklagte: Die Deutsche Rentenversicherung, die den Rentenantrag der Klägerin ablehnte und die Auffassung vertrat, dass die Klägerin über ausreichendes Restleistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt verfügt.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Eine seit 2017 krankgeschriebene Frau beantragte eine Erwerbsminderungsrente wegen verschiedener körperlicher und psychischer Beschwerden. Nachdem ihr Antrag von der Rentenversicherung abgelehnt und ihre Klage beim Sozialgericht abgewiesen wurde, legte sie Berufung ein und argumentierte, dass sich ihr Gesundheitszustand weiter verschlechtert habe und sie nicht mehr arbeitsfähig sei.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Besteht ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gemäß den gesetzlichen Bestimmungen des Sozialgesetzbuches?
Wie hat das Gericht entschieden?
- Berufung zurückgewiesen: Das Gericht wies die Berufung der Klägerin zurück.
- Kernaussagen der Begründung:
- Ausreichendes Leistungsvermögen: Die Klägerin ist trotz psychischer Erkrankungen (Somatisierungsstörung, depressive Symptomatik, Angststörung) noch in der Lage, leichte Tätigkeiten ohne Stress und Verantwortung für mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.
- Keine organischen Ursachen für körperliche Einschränkungen: Die von der Klägerin vorgetragenen körperlichen Beschwerden, insbesondere die Gangunsicherheit und die Notwendigkeit eines Rollators, haben nach Einschätzung der Gutachter keine objektivierbaren organischen oder schwerwiegenden psychischen Ursachen.
- Wegefähigkeit gegeben: Die Klägerin ist in der Lage, die üblichen Wege zur Arbeitsstelle, auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln, selbstständig zurückzulegen.
- Pflegegrad irrelevant für Erwerbsminderung: Der der Klägerin zuerkannte Pflegegrad 2 begründet keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente, da die medizinischen Gutachten keine objektiven Hinweise auf eine solche umfassende Pflegebedürftigkeit oder fehlende Leistungsfähigkeit ergeben.
- Fehlende Motivation keine Erwerbsminderung: Eine mangelnde Motivation der Klägerin, therapeutische Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen und ihren Versorgungsrahmen aufzugeben, allein begründet keine Erwerbsminderung, wenn objektiv ein Restleistungsvermögen vorhanden ist….