Die Ernennung eines Ergänzungspflegers für einen Jugendlichen, der im Verfahren gegen seine Mutter aussagen sollte, führte zu einem erbitterten Rechtsstreit. Das Familiengericht wollte einen vorläufigen Vormund einsetzen, doch der 15-Jährige und seine Eltern sahen darin eine unnötige Bevormundung. Wer entscheidet also, ob ein Teenager in einem Verfahren gegen seine Eltern aussagen muss: das Gericht, ein zugewiesener Pfleger oder der Jugendliche selbst? Zum vorliegenden Urteil Az.: 23 F 45/25 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Karlsruhe
- Datum: 10.04.2025
- Aktenzeichen: 2 WF 33/25
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Familienrecht, Strafprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger (Beschwerdeführer): Das 15-jährige Kind und dessen sorgeberechtigte Eltern. Sie legten Beschwerde gegen die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft ein, da sie argumentierten, das Kind sei reif genug, um selbst über seine Rechte zu entscheiden, und die Eltern seien zu Unrecht nicht angehört worden.
- Beklagte (Gericht der Vorinstanz): Das Amtsgericht – Familiengericht – Karlsruhe. Es hatte die Ergänzungspflegschaft für das Kind angeordnet, da die Eltern von der Vertretung ausgeschlossen seien und die Prüfung der kindlichen Verstandesreife dem Strafrichter obliege.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Ein Familiengericht hatte auf Anregung eines Richters aus einem Ordnungswidrigkeitenverfahren eine Ergänzungspflegschaft für ein 15-jähriges Kind angeordnet. Diese sollte die Ausübung des Zeugnis- und Untersuchungsverweigerungsrechts des Kindes sicherstellen, da die Eltern des Kindes selbst Beschuldigte im Verfahren waren. Das Kind und seine Eltern legten Beschwerde gegen diese Entscheidung ein.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Darf für ein 15-jähriges Kind, das in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren Beschuldigter ist und über die notwendige Verstandesreife verfügt, eine Ergänzungspflegschaft zur Ausübung des Zeugnis- und Untersuchungsverweigerungsrechts angeordnet werden, auch wenn die Eltern von der Vertretung ausgeschlossen sind?
Wie hat das Gericht entschieden?
- Beschluss aufgehoben: Das Oberlandesgericht hob den Beschluss des Amtsgerichts zur Anordnung einer Ergänzungspflegschaft auf.
- Kernaussagen der Begründung:
- Verstandesreife des Kindes entscheidend: Eine Ergänzungspflegschaft ist nur anzuordnen, wenn dem Kind die notwendige Verstandesreife fehlt, um selbstständig über seine Zeugnis- und Untersuchungsverweigerungsrechte zu entscheiden.
- Regelmäßige Annahme der Reife ab 14 Jahren: Bei Jugendlichen ab 14 Jahren ist die notwendige Verstandesreife nach höchstrichterlicher Rechtsprechung in der Regel anzunehmen. Es gab hier keine Anhaltspunkte, die dagegen sprachen, dass das 15-jährige Kind über diese Reife verfügt.
- Zwecklosigkeit bei vorhandener Reife: Eine Ergänzungspflegschaft ist zwecklos und abzulehnen, wenn die Verstandesreife des Kindes offensichtlich vorhanden ist, auch wenn die Eltern von der Vertretung ausgeschlossen sind.
- Folgen für das Kind und seine Eltern:
- Die vom Amtsgericht angeordnete Ergänzungspflegschaft für das Kind wird aufgehoben.
- Für das Beschwerdeverfahren werden keine Gerichtskosten erhoben und außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Der Fall vor Gericht
Muss man als Kind gegen die eigenen Eltern aussagen?…