Fahrerflucht nach einem Bagatellschaden – diese Anschuldigung führte einen Autofahrer vor Gericht, obwohl er seine Kontaktdaten hinterlassen hatte. Seine eigene Haftpflichtversicherung forderte vom Verursacher Geld zurück, da er den Unfallort unerlaubt verlassen hatte. Doch kann ein Versicherter seinen vollen Schutz behalten, auch wenn er gegen vertragliche Pflichten verstößt, dem Versicherer aber kein tatsächlicher Nachteil entsteht? Zum vorliegenden Urteil Az.: 14 S 103/22 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Lübeck
- Datum: 27.06.2024
- Aktenzeichen: 14 S 103/22
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Versicherungsrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Versicherung, die vom Beklagten eine Rückzahlung forderte, da sie sich aufgrund einer Obliegenheitsverletzung für leistungsbefreit hielt.
- Beklagte: Der Versicherungsnehmer und Unfallverursacher, der sich nach dem Unfall unerlaubt vom Unfallort entfernt hatte und die Leistungsfreiheit seiner Versicherung abwenden wollte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Dem Urteil lag ein Verkehrsunfall zugrunde, bei dem der Beklagte einen Schaden an einem anderen Fahrzeug verursachte und sich anschließend vom Unfallort entfernte, indem er lediglich einen Zettel mit seinen persönlichen Daten hinterließ.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob die Haftpflichtversicherung des Beklagten von ihrer Zahlungspflicht befreit war, weil der Beklagte sich nach dem Unfall unerlaubt vom Unfallort entfernt hatte (Unfallflucht). Der zentrale Streitpunkt war, ob der Beklagte nachweisen konnte, dass seiner Versicherung durch seine Unfallflucht keine Nachteile bei der Klärung des Falls entstanden sind.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Landgericht Lübeck änderte das Urteil der Vorinstanz ab und wies die Klage der Versicherung gegen den Beklagten vollständig ab.
- Begründung: Die Klage der Versicherung wurde abgewiesen, weil der Beklagte erfolgreich nachweisen konnte, dass seine Obliegenheitsverletzung (Unfallflucht) keinen Einfluss auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Leistungspflicht der Versicherung hatte. Er konnte glaubhaft darlegen, dass er zum Unfallzeitpunkt weder unter Alkohol- noch unter Drogeneinfluss stand, wodurch der Versicherung kein relevanter Aufklärungsnachteil entstand.
- Folgen: Die Versicherung muss die gesamten Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz tragen. Ihre Forderung auf Rückzahlung sowie die geltend gemachten Nebenforderungen (Zinsen und Rechtsanwaltskosten) wurden abgewiesen.
Der Fall vor Gericht
Ein Zettel am Scheibenwischer: Reicht das nach einem Unfall?
Jeder Autofahrer kennt die Situation oder hat zumindest davon gehört: Auf einem vollen Parkplatz rangiert man aus einer Lücke und streift dabei ein anderes Auto. Ein Kratzer im Lack. Niemand ist in der Nähe. Was nun? Viele würden vielleicht einen Zettel mit Namen und Telefonnummer unter den Scheibenwischer des beschädigten Wagens klemmen und dann weiterfahren. Doch genau ein solches Verhalten führte zu einem Rechtsstreit, der vor dem Landgericht Lübeck landete und eine wichtige Frage für jeden Versicherten klärt: Verliert man seinen Versicherungsschutz, wenn man sich nach einem selbst verursachten Unfall vom Ort des Geschehens entfernt, auch wenn man seine Daten hinterlässt? Ein Autofahrer hatte mit seinem Transporter beim Manövrieren ein anderes Fahrzeug beschädigt….