Eine wochenlange Fixierung einer Patientin in der Psychiatrie durch immer neue Gerichtsbeschlüsse musste das Landgericht Lübeck prüfen. Die Frau war über Monate ans Bett gefesselt, obwohl jede gerichtliche Genehmigung nur für kurze Zeitspannen erteilt wurde. Ihr Verfahrenspfleger sah die Grundrechte verletzt und fragte sich: Darf eine scheinbar endlose Kette von Kurzzeit-Anordnungen eine solch massive Freiheitsentziehung über die gesetzliche Höchstgrenze hinaus legitimieren? Zum vorliegenden Urteil Az.: 7 T 479/23 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Lübeck
- Datum: 29.11.2023
- Aktenzeichen: 7 T 479/23
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Betreuungsrecht, Verfassungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Verfahrenspfleger der betroffenen Person, der die Fixierung gerichtlich anfechten wollte. Seine Argumentation: Die Fixierung überschritt die gesetzliche Höchstfrist von sechs Wochen, da § 333 Abs. 2 FamFG (Familienverfahrensgesetz) analog anzuwenden sei und kurze Unterbrechungen die Frist nicht neu starten lassen, wenn dasselbe Krankheitsbild vorliegt.
- Beklagte: Das Amtsgericht Schwarzenbek, dessen Beschluss zur Fixierung angefochten wurde. Dessen frühere Entscheidungen deuteten an, dass jede Fixierung im Einzelfall für notwendig gehalten wurde, um akute Gefahren wie Suizidalität oder Aggressivität abzuwenden, und die Gesamtfrist möglicherweise nicht als überschritten oder jede neue Anordnung als separate Angelegenheit betrachtet wurde.
Worum ging es genau? Eine Patientin befand sich über zwei Monate in vorläufiger geschlossener Unterbringung und wurde in dieser Zeit aufgrund fortlaufender gerichtlicher Anordnungen nahezu durchgehend, überwiegend mittels Sieben-Punkt-Fixierung, festgehalten. Es wurde gerichtlich geprüft, ob diese fortgesetzte Fixierung rechtmäßig war, da sie auf einer Kette von einstweiligen Anordnungen basierte und dasselbe Krankheitsbild vorlag. Welche Rechtsfrage war entscheidend? Darf eine Person im Rahmen einer vorläufigen Unterbringung über einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen durchgehend oder nahezu durchgehend mittels einer Sieben-Punkt-Fixierung fixiert werden, wenn die Fixierungen auf einer Kette von einstweiligen Anordnungen basieren und demselben Krankheitsbild geschuldet sind? Wie hat das Gericht entschieden?
- Beschluss aufgehoben: Der Beschluss des Amtsgerichts Schwarzenbek zur einstweiligen Anordnung der vorläufigen Sieben-Punkt-Fixierung wurde aufgehoben.
- Kernaussagen der Begründung:
- Höchstfrist für Fixierungen: Die Höchstfrist von sechs Wochen für einstweilige Anordnungen bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen (§ 333 Abs. 2 FamFG) ist analog auch auf Fixierungen anzuwenden, da es sich um einen vergleichbar schweren Eingriff in die Grundrechte handelt.
- „Selbe Angelegenheit“ trotz Unterbrechung: Die Sechs-Wochen-Frist gilt auch bei mehreren Anordnungen in „derselben Angelegenheit“. Eine neue Sachlage, die die Frist neu starten würde, liegt nicht vor, wenn das Krankheitsbild der betroffenen Person im Wesentlichen unverändert geblieben ist und nur eine kurze Unterbrechung der Fixierung erfolgte.
- Überschreitung der Frist im Fall: Die vorliegenden Fixierungsmaßnahmen überschritten unter Einbeziehung aller seit September getroffenen Beschlüsse die analog anzuwendende Höchstfrist von sechs Wochen, da durchweg dasselbe Krankheitsbild vorlag und die kurze Unterbrechung die Frist nicht neu startete….
Auszug aus der Quelle: https://www.ra-kotz.de/anordnung-ueber-fixierung-hoechstdauer.htm