Was passiert, wenn ein Gericht ein medizinisches Gutachten bestellt, das bereits vor der Fertigstellung überflüssig wird? Vor dieser kuriosen Frage stand das Sozialgericht Münster. Ein bestellter Gutachter lieferte sein Werk nämlich trotz nachweislicher Stornierung – und forderte sein Honorar. Doch muss der Steuerzahler für eine derart nutzlose Leistung aufkommen? Zum vorliegenden Urteil Az.: S 30 SF 51/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: SG Münster
- Datum: 25.07.2024
- Aktenzeichen: S 30 SF 51/24
- Verfahrensart: Erinnerung gegen Festsetzung
- Rechtsbereiche: Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG), Sozialgerichtsgesetz (SGG), Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Zivilprozessordnung (ZPO)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die ### GmbH, die als Erinnerungsführerin die Honoraransprüche des beauftragten Sachverständigen geltend machte.
- Beklagte: Der Bezirksrevisor für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen, der als Erinnerungsgegner die Ablehnung der Vergütung verteidigte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Das Gericht beauftragte in einem Klageverfahren einen Sachverständigen. Nachdem die Klage jedoch zurückgenommen wurde, widerrief das Gericht den Gutachtenauftrag telefonisch und schriftlich, bevor die Gutachtenunterlagen beim Sachverständigen ankamen. Trotz des Widerrufs erstellte dieser das Gutachten später, woraufhin die Kostenbeamtin die Vergütung ablehnte und die anspruchsberechtigte Firma Einspruch einlegte.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob dem Sachverständigen eine Vergütung für das Gutachten zusteht, obwohl der Gutachtenauftrag vor dessen Erstellung vom Gericht wirksam widerrufen wurde und das Gutachten für das bereits beendete Hauptsacheverfahren keine Relevanz mehr hatte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Erinnerung der ### GmbH gegen die Ablehnung der Vergütung wurde zurückgewiesen. Die Vergütung für das Sachverständigengutachten wurde auf 0,00 EUR festgesetzt.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass kein Vergütungsanspruch entstanden ist, da der Gutachtenauftrag wirksam und rechtzeitig widerrufen wurde. Der telefonische Widerruf durch die Richterin wurde als ausreichend erachtet, da das Sozialgerichtsgesetz keine Schriftform vorschreibt. Da das Gutachten nach dem Widerruf und der Klagerücknahme erstellt wurde, konnte es im abgeschlossenen Verfahren nicht mehr verwertet werden.
- Folgen: Der Sachverständige oder die Firma, die seine Ansprüche geltend machte, erhält keine Bezahlung für das erstellte Gutachten. Das Urteil verdeutlicht, dass Gutachten nur vergütet werden, wenn sie im gerichtlichen Verfahren tatsächlich verwertet werden können und der Auftrag nicht zuvor wirksam widerrufen wurde.
Der Fall vor Gericht
Streit um Bezahlung: Wenn ein Gutachten erstellt wird, das niemand mehr braucht
Jeder kennt das: Man bestellt eine Dienstleistung, zum Beispiel einen Handwerker zur Reparatur, und sagt den Termin kurz darauf wieder ab. Was aber, wenn der Handwerker trotzdem kommt, die Arbeit erledigt und eine Rechnung schickt? Muss man dann bezahlen? Vor einer ganz ähnlichen Frage stand das Sozialgericht Münster. Es ging jedoch nicht um einen Handwerker, sondern um einen medizinischen Gutachter, der für ein Gerichtsverfahren beauftragt wurde, das plötzlich beendet war….