Ein einziger digitaler Button – oder dessen Fehlen – hat das Potenzial, die Spielregeln für unzählige Online-Anbieter in Deutschland neu zu schreiben. Was zunächst wie eine Lappalie erschien, entpuppte sich für einen großen Versandhändler als richtungsweisender Rechtsstreit vor dem Bundesgerichtshof. Es ging um die Frage, ob auch vermeintlich unkomplizierte Jahresabos mit Einmalzahlung einen digitalen Notausgang bieten müssen. Das Urteil ist ein Paukenschlag für den digitalen Verbraucherschutz und definiert neu, was eine „Kostenfalle“ wirklich ist.
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- BGH-Urteil: Der Kündigungsbutton ist nun auch für Jahresabos und Premium-Mitgliedschaften mit Einmalzahlung Pflicht.
- Ein „Dauerschuldverhältnis“ liegt vor, wenn der Anbieter über einen Zeitraum fortwährende Leistungen erbringt – unabhängig von der Zahlungsweise des Kunden.
- Die „Kostenfalle“ umfasst auch die erschwerte außerordentliche Kündigung bei mangelhafter Leistung und das Verhindern einer anteiligen Rückerstattung.
- Betroffen sind zahlreiche digitale Geschäftsmodelle wie „Amazon Prime“, Online-Zeitungsabos oder SaaS-Zugänge mit Vorauszahlung.
- Unternehmen müssen alle Verträge mit fortlaufender Leistung prüfen und einen leicht auffindbaren, klar beschrifteten Kündigungsbutton bereitstellen.
- Bei Nichtbeachtung drohen Abmahnkosten und hohe Ordnungsgelder bis zu 250.000 €
Quelle: Bundesgerichtshof Urteil vom 22. Mai 2025, Az.: I ZR 161/24
BGH-Urteil: Kündigungsbutton-Pflicht auch für Jahresabos mit Einmalzahlung
Ein Vorteilsprogramm für gerade einmal 9,90 € im Jahr schien für viele Kunden des großen Versandhändlers Otto ein attraktives Angebot zu sein. Wer sich für das Paket „OTTO UP Plus“ entschied, erhielt für zwölf Monate handfeste Vorteile: keine Versandkosten, egal wie klein die Bestellung, und doppelte Bonuspunkte bei nachhaltigen Produkten. Der Vertrag war denkbar unkompliziert gestaltet: Nach einem Jahr lief er automatisch aus, eine Kündigung war zur Beendigung nicht nötig. Doch genau diese Einfachheit rief den Bundesverband der Verbraucherzentralen auf den Plan. Der Verband störte sich an einem Detail, das auf den ersten Blick nebensächlich wirken mag: Auf der Webseite des Unternehmens fehlte eine explizite Kündigungsschaltfläche für dieses Programm. Die Verbraucherschützer sahen darin einen Verstoß gegen § 312k des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), eine Vorschrift, die Online-Anbietern vorschreibt, die Kündigung von Verträgen per einfachem Klick zu ermöglichen. Der Versandhändler sah das anders. Seine Argumentation: Das Gesetz gelte nur für sogenannte Dauerschuldverhältnisse, also typische Abonnements mit wiederkehrenden Zahlungen. Da der Kunde hier nur einmalig zahle, sei die Vorschrift nicht anwendbar. Dieser Streit um einen unscheinbaren Button landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) und führte zu einer Grundsatzentscheidung, die die Spielregeln für unzählige digitale Geschäftsmodelle in Deutschland neu definiert.
Die 180-Grad-Wende des BGH: Warum die Leistung des Anbieters entscheidet
Der Kern des gesamten Rechtsstreits drehte sich um die Auslegung eines einzigen juristischen Begriffs: des Dauerschuldverhältnisses. Was genau verbirgt sich dahinter und warum war die Definition hier so entscheidend? Die Antwort des BGH stellt eine klare Abkehr von der Sichtweise der Vorinstanz dar und rückt den Schutz der Verbraucher konsequent in den Mittelpunkt….