Darf eine gläubige Muslima ihren Niqab auch am Steuer tragen, selbst wenn Blitzer sie so nicht identifizieren könnten? Diese brisante Frage spaltete die Meinungen und landete vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, das nun ein klares Urteil im Konflikt zwischen Religionsfreiheit und Verkehrssicherheit fällte.
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- OVG Berlin-Brandenburg bestätigt Vorrang der Verkehrssicherheit vor Religionsfreiheit bei Gesichtsverschleierung am Steuer (z.B. Niqab).
- Hauptgrund ist die Notwendigkeit der effektiven automatisierten Verkehrsüberwachung und der sicheren Identifikation des Fahrers auf Blitzerfotos.
- Alternativvorschläge wie Fahrtenbuch oder QR-Code wurden abgelehnt, da sie keine gleichwertige zuverlässige Identifikation ermöglichen.
- Eine Identifizierung allein anhand der Augenpartie ist aufgrund der oft schlechten Qualität von Blitzerfotos nicht zuverlässig möglich.
- Dem Einzelnen ist der Verzicht auf das Autofahren zumutbar, wenn keine unabweisbaren Härtefälle (z.B. berufliche Notwendigkeit) vorliegen.
- Das Verbot gilt allgemein für jede Gesichtsverhüllung, die die Erkennbarkeit erschwert (z.B. Masken, Schals, Karnevalsmasken); Bußgeld 60 Euro droht.
Quelle: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 1. Senat vom 23.04.2025, Az.: 1 N 17/25
OVG Berlin-Brandenburg: Warum Verkehrssicherheit die Religionsfreiheit am Steuer aussticht
Für eine 33-jährige praktizierende Muslima aus Berlin ist es ein Gebot ihres Glaubens: In der Öffentlichkeit zeigt sie sich nur mit einem Niqab, einem Gesichtsschleier, der lediglich die Augenpartie frei lässt. Diese religiöse Praxis erstreckt sich für sie auch auf den Innenraum ihres Autos. Denn sobald sie am Straßenverkehr teilnimmt, fühlt sie sich den Blicken fremder Menschen ausgesetzt. Doch die deutsche Straßenverkehrs-Ordnung ist hier unmissverständlich: Wer ein Fahrzeug führt, darf sein Gesicht nicht so verhüllen, dass es nicht mehr erkennbar ist. Hier prallten zwei Welten aufeinander: die tief empfundene religiöse Verpflichtung einer Einzelnen und die allgemeinen Regeln der öffentlichen Sicherheit für alle. Die Frau versuchte, einen juristischen Mittelweg zu finden. Sie beantragte bei der zuständigen Behörde eine Ausnahmegenehmigung von diesem sogenannten Verhüllungsverbot. Ihr Ziel war es, legal Auto fahren zu dürfen, ohne gegen ihre religiösen Überzeugungen verstoßen zu müssen. Doch die Behörde lehnte ab. Die Frau zog vor das Verwaltungsgericht Berlin, das ihre Klage im Januar 2025 ebenfalls abwies. Unbeirrt ging sie in die nächste Instanz und beantragte beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg die Zulassung der Berufung. Damit stand die Kernfrage im Raum: Muss der Staat im Namen der Religionsfreiheit eine Ausnahme von einer zentralen Verkehrsvorschrift gewähren?
Das harte Nein der Gerichte: Ein Verbot ohne Wenn und Aber
Die Antwort des Oberverwaltungsgerichts fiel in seinem Beschluss vom 25. April 2025 (Az. OVG 1 N 17/25) ebenso klar wie für die Klägerin ernüchternd aus: Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde abgelehnt. Damit ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig und der Rechtsweg für die Frau in der Verwaltungsgerichtsbarkeit beendet. Sie hat keinen Anspruch auf die begehrte Ausnahmegenehmigung. Diese Entscheidung ist mehr als nur die Abweisung eines einzelnen Antrags….