Über 60.000 Euro Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für eine Mitarbeiterin, die fast drei Jahre durchgehend krankgeschrieben war – das machte eine große Krankenkasse misstrauisch. Der Verdacht auf Betrug führte zur fristlosen Kündigung der langjährigen Angestellten, und die Arbeitgeberin forderte das Geld zurück. Nun musste das Arbeitsgericht Köln in einem aufsehenerregenden Fall klären, wer am Ende die Rechnung bezahlt. Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 Ca 4803/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Arbeitsgericht Köln
- Datum: 16.01.2025
- Aktenzeichen: 8 Ca 4803/24
- Verfahrensart: Arbeitsrechtliches Verfahren
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Kündigungsrecht, Entgeltfortzahlung
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine langjährige, schwerbehinderte und tarifvertraglich unkündbare Angestellte einer Krankenkasse. Sie wehrte sich gegen ihre fristlose Kündigung und die Rückforderung von Entgeltfortzahlungen durch ihre Arbeitgeberin.
- Beklagte: Eine Krankenkasse, die das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristlos kündigte. Sie forderte zudem gezahlte Entgeltfortzahlungen zurück, da sie einen Entgeltfortzahlungsbetrug vermutete.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Klägerin, eine langjährige und schwerbehinderte Mitarbeiterin einer Krankenkasse, wurde fristlos gekündigt. Sie war über längere Zeiträume arbeitsunfähig, wofür die Beklagte hohe Entgeltfortzahlungen leistete. Die Beklagte forderte diese Zahlungen per Widerklage zurück und begründete die Kündigung mit dem Verdacht des Entgeltfortzahlungsbetrugs.
- Kern des Rechtsstreits: Der zentrale Streitpunkt war die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung der Klägerin durch die Krankenkasse. Dabei ging es um die Frage, ob die Klägerin einen Entgeltfortzahlungsbetrug begangen hatte. Zudem wurde über die Rückforderung von Entgeltfortzahlungen durch die Beklagte verhandelt.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht erklärte die beiden fristlosen Kündigungen der Beklagten für unwirksam und stellte den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses fest. Die Klägerin hat außerdem einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Die Widerklage der Arbeitgeberin auf Rückzahlung geleisteter Entgeltfortzahlung wurde abgewiesen.
- Begründung: Dem Arbeitgeber fehlte ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung, da er ein Fehlverhalten der Klägerin nicht ausreichend nachweisen konnte. Die Beklagte konnte den pauschalen Vorwurf der Täuschung nicht konkret begründen. Die neuere Rechtsprechung zur Darlegungslast bei Entgeltfortzahlungsansprüchen ist weder auf das Kündigungsrecht noch auf Rückforderungsansprüche des Arbeitgebers übertragbar.
- Folgen: Die fristlosen Kündigungen sind unwirksam, das Arbeitsverhältnis besteht fort und die Klägerin muss weiterbeschäftigt werden. Die Beklagte kann keine Entgeltfortzahlungen zurückfordern. Die Beklagte muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.
Der Fall vor Gericht
Streit um Krankschreibung: Wenn der Arbeitgeber Betrug vermutet
Jeder Arbeitnehmer kennt die Situation: Man fühlt sich krank, geht zum Arzt und reicht beim Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein, um weiterhin Lohn zu erhalten. Doch was passiert, wenn ein Mitarbeiter über Jahre hinweg immer wieder krank ist und der Arbeitgeber irgendwann den Verdacht hegt, dass die Krankheiten nur vorgetäuscht sind, um nicht arbeiten zu müssen? Darf der Arbeitgeber dann einfach kündigen und das bereits gezahlte Gehalt zurückfordern?…