Ein ungewöhnlicher Konflikt in einer neurologischen Klinik führte zu einer brisanten Rechtsfrage: Darf ein Arbeitgeber das gesamte Betriebsratsgremium, die gewählte Interessenvertretung der Belegschaft, offiziell „abmahnen“? Nachdem der Betriebsrat die Geschäftsführung in einer E-Mail scharf kritisiert hatte, erhielt das Kollektiv eine förmliche Rüge, die an eine individuelle Abmahnung erinnerte. Das Gericht musste nun klären, ob eine solche „betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung“ im Arbeitsrecht überhaupt zulässig ist. Zum vorliegenden Urteil Az.: 10 BV 43/21 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Arbeitsgericht Magdeburg
- Datum: 12.01.2022
- Aktenzeichen: 10 BV 43/21
- Verfahrensart: Beschlussverfahren
- Rechtsbereiche: Betriebsverfassungsrecht, Zivilrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der örtliche Betriebsrat forderte die Entfernung von sogenannten „betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen“ aus den Akten der Arbeitgeberin und die Rücknahme darin enthaltener Vorwürfe. Er argumentierte, keine Pflichten verletzt zu haben und solche Abmahnungen seien unzulässig.
- Beklagte: Die Arbeitgeberin, Betreiberin einer neurologischen Klinik, verteidigte ihr Recht, solche Rügen auszusprechen. Sie bestritt, dass diese eine Behinderung des Betriebsrats darstellten oder dass ein Anspruch auf Widerruf bestehe, da die Abmahnungen nicht Dritten mitgeteilt worden seien.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Arbeitgeberin sandte zwei Schreiben, darunter eine als „Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung“ bezeichnete, an den Betriebsrat. Dies erfolgte, nachdem der Betriebsrat eine E-Mail an die Geschäftsführung gerichtet hatte, in der er scharfe Kritik an einem Mitarbeiterbrief der Arbeitgeberin bezüglich Tarifverhandlungen äußerte. Die Arbeitgeberin warf dem Betriebsrat daraufhin eine Verletzung seiner Neutralitätspflicht vor.
- Kern des Rechtsstreits: Die Kernfrage war, ob der Betriebsrat einen Anspruch darauf hatte, dass diese „betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen“ aus den Akten der Arbeitgeberin entfernt werden und die darin enthaltenen Bewertungen und Vorwürfe zurückgenommen werden.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Anträge des Betriebsrats wurden zurückgewiesen.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass die für individualrechtliche Abmahnungen geltenden Normen nicht auf eine kollektivrechtliche „Abmahnung“ an das Betriebsratsgremium anwendbar sind, da es keine Betriebsrat-Personalakte gibt und dessen berufliches Fortkommen nicht beeinträchtigt wird. Es wurde auch keine rechtlich relevante Behinderung der Betriebsratsarbeit im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gesehen. Die in den Schreiben geäußerten Vorwürfe wurden zudem als geschützte Meinungsäußerungen der Arbeitgeberin angesehen, deren Rücknahme nicht verlangt werden kann, insbesondere da sie nicht öffentlich gemacht wurden.
- Folgen: Die Ablehnung der Anträge des Betriebsrats bedeutet, dass die Arbeitgeberin nicht verpflichtet ist, die „betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnungen“ aus ihren internen Akten zu entfernen oder die darin geäußerten Vorwürfe zurückzunehmen. Dies verdeutlicht, dass interne Rügen eines Arbeitgebers an einen Betriebsrat grundsätzlich zulässig sind, solange sie den Betriebsrat nicht objektiv bei seiner Arbeit behindern und nicht extern verbreitet werden.
Der Fall vor Gericht
Ein hitziger Streit im Betrieb: Darf ein Arbeitgeber den Betriebsrat „abmahnen“?…