Ein verschickter Brief, der nie ankam, wurde für eine Recruiterin zum Alptraum. Das Arbeitsgericht Erfurt musste entscheiden: Gilt eine Kündigung als wirksam, wenn das Schreiben nie im eigenen Briefkasten landete? Dieser Fall enthüllt eindrücklich, wie die reine Zustellung eines Dokuments über das Schicksal eines Arbeitsverhältnisses entscheiden kann und wo die Risiken im Postverkehr liegen. Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 Ca 1455/23 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: ArbG Erfurt
- Datum: 17.04.2024
- Aktenzeichen: 4 Ca 1455/23
- Verfahrensart: Urteil
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine als Recruiterin angestellte Arbeitnehmerin, die sich gegen zwei Kündigungen ihres Arbeitsverhältnisses wehrte. Sie bestritt den Zugang der ersten Kündigung und die soziale Rechtfertigung der zweiten. Zudem forderte sie ein Zwischenzeugnis.
- Beklagte: Die Arbeitgeberin der Klägerin, die das Arbeitsverhältnis der Klägerin kündigte. Sie vertrat die Ansicht, die erste Kündigung sei wirksam zugestellt worden und die zweite Kündigung sei betriebsbedingt gerechtfertigt gewesen.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Eine Recruiterin, angestellt seit Mai 2022, erhielt im Juli 2023 eine Kündigung per Einwurfeinschreiben, das sie nicht abholte. Eine zweite Kündigung wurde ihr Ende August 2023 zugestellt.
- Kern des Rechtsstreits: Der zentrale Streitpunkt war, ob die erste Kündigung wirksam zugestellt wurde, ob die zweite Kündigung aufgrund angeblich fehlgeschlagener Anwerbung von Fachkräften sozial gerechtfertigt war und ob die Klägerin einen Anspruch auf ein Zwischenzeugnis hatte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.08.2023 nicht aufgelöst wurde. Die Beklagte wurde zudem verurteilt, der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen.
- Begründung: Die erste Kündigung war nicht wirksam, da sie der Klägerin nicht zugegangen ist und das Risiko für die Zustellung beim Arbeitgeber lag. Die zweite Kündigung war sozial nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin mit anderen Recruitern vergleichbar war und die soziale Auswahl durch die Beklagte fehlerhaft erfolgte. Aufgrund des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses hatte die Klägerin Anspruch auf ein Zwischenzeugnis.
- Folgen: Das Arbeitsverhältnis der Klägerin besteht fort. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Fall vor Gericht
Wenn der Brief nicht ankommt: Ein Streit um Kündigung, Fristen und soziale Gerechtigkeit
Jeder kennt das Gefühl, auf einen wichtigen Brief zu warten – sei es eine Zusage, eine Rechnung oder im schlimmsten Fall eine Kündigung. Doch was passiert, wenn dieser Brief zwar abgeschickt wird, aber nie im eigenen Briefkasten landet? Ist die Nachricht dann trotzdem wirksam? Genau mit dieser Frage und den weitreichenden Folgen musste sich das Arbeitsgericht Erfurt befassen, als eine Recruiterin gegen ihre Kündigung klagte. Der Fall zeigt eindrücklich, wie entscheidend die Details der Zustellung für das Schicksal eines Arbeitsverhältnisses sein können.
Ein gescheitertes Projekt und zwei Kündigungsversuche
Eine Frau, nennen wir sie die Klägerin, war seit Mai 2022 bei einem Unternehmen als Recruiterin angestellt. Ihre Aufgabe war es, Fachkräfte aus osteuropäischen Ländern anzuwerben, wofür sie mit ihren Sprachkenntnissen bestens geeignet schien. Sie arbeitete von zu Hause aus für ein Bruttogehalt von 3.000 Euro….