Ein gemeinschaftliches Testament soll für alle Eventualitäten vorsorgen, doch was, wenn der Ernstfall anders eintritt als gedacht? Als ein kinderloses Ehepaar mit zehn Jahren Abstand verstarb, entbrannte ein erbitterter Streit um das Erbe. Das Gericht musste klären: War der ursprüngliche Wunsch, das Vermögen hälftig unter den Familien aufzuteilen, nur eine Notfallklausel oder ein bindender Plan für die Ewigkeit, der selbst den vorzeitigen Tod eines Erben überdauern sollte? Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 W 80/23 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Zweibrücken
- Datum: 11.07.2024
- Aktenzeichen: 8 W 80/23
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Erbrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Bruder des Erblassers (später vertreten durch seine Ehefrau) und die drei Kinder der Schwester des Erblassers. Sie beantragten einen Erbschein basierend auf der gesetzlichen Erbfolge, da sie das Testament als nicht umfassend ansahen.
- Beklagte: Die drei Kinder des vorverstorbenen Bruders der Ehefrau des Erblassers. Sie vertraten die Auffassung, dass das Testament eine allgemeine Schlusserbeneinsetzung enthielt und sie selbst als Ersatzerben berufen waren.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein Ehepaar verfasste ein Gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Für den Fall ihres gleichzeitigen oder nacheinander erfolgenden Versterbens wurde die Aufteilung ihres Besitzes an die Angehörigen beider Familienstämme geregelt. Die Ehefrau verstarb 2011, der Ehemann 2021.
- Kern des Rechtsstreits: Zentral war die Auslegung der Formulierung im Testament, ob sie eine allgemeingültige Erbeinsetzung für den Fall des nacheinander erfolgenden Todes darstellt oder lediglich eine „Katastrophenklausel“ für den gleichzeitigen Tod. Zudem war zu klären, ob vorverstorbene, im Testament benannte Erben durch deren Abkömmlinge als Ersatzerben ersetzt werden.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht wies die Beschwerden der Partei zurück, die die gesetzliche Erbfolge befürwortete. Damit wurde die Entscheidung des Nachlassgerichts bestätigt, dass das Testament eine allgemeingültige Schlusserbenregelung enthielt. Zudem wurde bestätigt, dass die Kinder des vorverstorbenen Bruders der Ehefrau als Ersatzerben berufen waren.
- Begründung: Die Formulierung „oder durch sonstige Umstände“ wurde als generelle Schlusserbeneinsetzung ausgelegt, nicht nur als „Katastrophenklausel“. Dies wurde durch die Kinderlosigkeit der Eheleute, die beabsichtigte hälftige Vermögensaufteilung an die Familien beider Ehegatten sowie umfassende Regelungen wie Grabpflege und Testamentsvollstreckung bestätigt. Die Abkömmlinge des vorverstorbenen Bruders der Ehefrau waren als Ersatzerben berufen, da die Eheleute die jeweiligen Familienstämme begünstigen wollten.
- Folgen: Das Vermögen des Erblassers wird gemäß dem gemeinschaftlichen Testament aufgeteilt, nicht nach der gesetzlichen Erbfolge. Der ursprüngliche Antrag auf einen Erbschein basierend auf der gesetzlichen Erbfolge wurde als unzutreffend zurückgewiesen.
Der Fall vor Gericht
Ein Testament für die Urlaubsreise – oder für immer?
Viele Ehepaare verfassen ein gemeinsames Testament, um für den Ernstfall vorzusorgen. Eine typische Sorge ist, was passiert, wenn beiden auf einer Reise oder durch einen Unfall gleichzeitig etwas zustößt….