Das Prinzip „Therapie statt Strafe“ soll Drogenabhängigen einen Weg aus dem Gefängnis ebnen. Doch ein aktuelles Urteil stellt die Kernfrage: War die Plünderung des Kontos des eigenen Sohnes tatsächlich eine direkte Folge der Drogensucht des Täters? Die Justiz hat nun präzise geklärt, wann eine Straftat wirklich „wegen“ einer Abhängigkeit begangen wird und welche strengen Nachweise dafür unerlässlich sind. Zum vorliegenden Urteil Az.: 203 VAs 656/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: BayObLG
- Datum: 10.03.2025
- Aktenzeichen: 203 VAs 656/24
- Verfahrensart: Antrag auf gerichtliche Entscheidung
- Rechtsbereiche: Betäubungsmittelstrafrecht, Strafvollstreckungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein Verurteilter, der die Zurückstellung seiner Gesamtfreiheitsstrafe wegen Betäubungsmittelabhängigkeit beantragt hatte.
- Beklagte: Die Generalstaatsanwaltschaft, die die Zurückstellung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe des Verurteilten ablehnte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Verurteilte wurde wegen Betrugs und weiterer Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Er beantragte die Zurückstellung der Vollstreckung dieser Haftstrafe nach § 35 Betäubungsmittelgesetz, da die Straftaten seiner Ansicht nach auf seine Drogenabhängigkeit zurückzuführen seien. Die Staatsanwaltschaft lehnte den Antrag ab, woraufhin der Verurteilte gerichtliche Entscheidung beantragte.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob die Generalstaatsanwaltschaft die Vollstreckung der Haftstrafe zu Recht nicht zurückgestellt hat. Dies hing davon ab, ob ein ausreichender Kausalzusammenhang zwischen der Betäubungsmittelabhängigkeit des Verurteilten und den abgeurteilten Straftaten, insbesondere der maßgeblichen Betrugstat, nachgewiesen werden konnte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung gegen den ablehnenden Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft wurde als unbegründet verworfen.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass die Generalstaatsanwaltschaft die Ablehnung der Zurückstellung der Vollstreckung der Haftstrafe zu Recht vorgenommen hatte. Es fehlte an einem hinreichenden Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen der Drogenabhängigkeit des Verurteilten und der maßgeblichen Betrugstat, die zur Gesamtfreiheitsstrafe führte. Weder die Urteilsgründe noch das Gutachten oder die Aussagen des Berufungsgerichts konnten diesen Zusammenhang mit der erforderlichen Gewissheit belegen.
- Folgen: Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wird nicht zurückgestellt. Der Verurteilte muss die Kosten des Verfahrens tragen.
Der Fall vor Gericht
Therapie statt Strafe: Wann ist eine Straftat wirklich „wegen“ einer Drogensucht begangen?
Jeder kennt den Grundsatz „Therapie statt Strafe“. Er klingt einfach und fair: Wenn jemand wegen seiner Drogensucht straffällig wird, zum Beispiel um seine Sucht zu finanzieren, soll er statt ins Gefängnis eine Therapie machen können. Doch was bedeutet es vor dem Gesetz genau, eine Tat „wegen“ einer Sucht zu begehen? Reicht es aus, wenn ein Täter drogenabhängig ist? Oder muss die Sucht die direkte und zwingende Ursache für die Straftat gewesen sein? Ein Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) gibt hierauf eine sehr präzise Antwort und zeigt, wie genau die Justiz diesen Zusammenhang prüft….