Ein Mann verpasst seinen eigenen Gerichtstermin, seine Berufung wird verworfen – doch damit nimmt der Fall erst eine überraschende Wendung. Monate später wollte die Staatsanwaltschaft ihre eigene Berufung zurückziehen. Das Oberlandesgericht Nürnberg musste nun klären, ob für diesen Rückzieher die Zustimmung des Angeklagten überhaupt noch notwendig war – und ob der Zeitpunkt dabei eine Rolle spielte. Zum vorliegenden Urteil Az.: Ws 258/25 und Ws 259/25 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Nürnberg
- Datum: 16.04.2025
- Aktenzeichen: Ws 258/25 und Ws 259/25
- Verfahrensart: Beschluss
- Rechtsbereiche: Strafprozessrecht
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht wegen Körperverletzung verurteilt. Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft legten Berufung ein. Nach Verwerfung der Berufung des Angeklagten wegen dessen Fernbleibens und Abschluss der Rechtsmittel dagegen, nahm die Staatsanwaltschaft ihre eigene Berufung schriftlich zurück.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob die Staatsanwaltschaft ihre Berufung ohne Zustimmung des Angeklagten zurücknehmen durfte, nachdem die Berufung des Angeklagten verworfen und die Hauptverhandlung beendet war.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht hob die Beschlüsse des Landgerichts auf. Die Staatsanwaltschaft konnte ihre Berufung mangels erforderlicher Zustimmung des Angeklagten nicht wirksam zurücknehmen.
- Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass die Staatsanwaltschaft ihre Berufung grundsätzlich nur mit Zustimmung des Angeklagten zurücknehmen darf. Eine Ausnahme vom Zustimmungserfordernis, die bei Abwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung gilt, ist laut Gericht auf die Dauer der Hauptverhandlung beschränkt und erlischt danach.
- Folgen: Das Verfahren über die Berufung der Staatsanwaltschaft ist noch nicht abgeschlossen, wodurch auch der Kostenbeschluss des Landgerichts aufgehoben wurde.
Der Fall vor Gericht
Ein Streit vor Gericht: Darf man einen Rückzieher machen, wann man will?
Jeder kennt das Gefühl: Man hat eine Entscheidung getroffen, möchte sie aber später wieder rückgängig machen. Im Alltag ist das oft möglich, solange die andere Person einverstanden ist. Doch was passiert, wenn eine solche Situation vor Gericht stattfindet? Stellt man sich einen Strafprozess vor, könnte man annehmen, dass die beteiligten Parteien – also der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft – ihre Anträge und Rechtsmittel nach Belieben zurückziehen können. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg zeigt jedoch, dass die Regeln hierfür sehr streng sind und der Zeitpunkt eines solchen „Rückziehers“ alles entscheidend sein kann.
Der Weg durch die Instanzen: Ein Angeklagter fehlt bei seinem eigenen Termin
Die Geschichte begann mit einem Urteil des Amtsgerichts, der ersten gerichtlichen Station in vielen Fällen. Ein Mann wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Weder der Angeklagte noch die Staatsanwaltschaft waren mit diesem Urteil zufrieden. Die Staatsanwaltschaft ist die Behörde, die im Namen des Staates Straftaten verfolgt. Beide legten deshalb Berufung ein. Eine Berufung ist ein Rechtsmittel, mit dem man ein Urteil von der nächsthöheren Gerichtsinstanz, in diesem Fall dem Landgericht, noch einmal vollständig überprüfen lassen kann….