Ein tonnenschwerer Schwertransporter hält mitten auf der Autobahn, ohne Warndreieck oder ersichtlichen Grund – eine Situation, die jeder Autofahrer fürchtet. Als eine junge Frau ungebremst in das Hindernis rast, wird sie schwer verletzt, doch der Lkw-Eigentümer verlangt vollen Schadenersatz. Die zentrale Frage vor Gericht: Wer trägt die Hauptverantwortung für die Folgen dieses verbotenen Haltens auf der Autobahn? Zum vorliegenden Urteil Az.: 7 U 16/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
- Datum: 11.06.2024
- Aktenzeichen: 7 U 16/24
- Verfahrensart: Berufungsverfahren (Beschluss über die Zurückweisung der Berufung)
- Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Haftungsrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Eigentümerin und Halterin eines Schwertransporters, die weiteren Schadensersatz für ihren LKW nach einem Unfall forderte.
- Beklagte: Die Fahrerin des auffahrenden PKW und deren Haftpflichtversicherung.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein Schwertransporter hielt auf der rechten Fahrspur einer Autobahn ohne Standstreifen an, um die Ladungssicherung zu prüfen. Es wurde kein Warndreieck aufgestellt. Ein nachfolgender PKW kollidierte ungebremst mit dem stehenden Transporter.
- Kern des Rechtsstreits: Der zentrale juristische Streitpunkt war, inwiefern der Halter des verbotswidrig auf der Autobahn stehenden Transporters für den Auffahrunfall haftet und welche Rolle die Sorgfaltspflichten beider Unfallbeteiligter bei der Schadensverteilung spielen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Landgericht hatte die Klage der Transporter-Eigentümerin auf weiteren Schadensersatz abgewiesen. Das Oberlandesgericht beabsichtigte, die Berufung der Transporter-Eigentümerin gegen dieses Urteil zurückzuweisen.
- Begründung: Der Transporter-Fahrer hatte auf der Autobahn verbotswidrig angehalten und kein Warndreieck aufgestellt, was als schwerwiegender Verstoß gewertet wurde. Obwohl auch die Fahrerin des auffahrenden PKW grob fahrlässig handelte, wurde festgestellt, dass die Transporter-Eigentümerin bereits mehr als die ihr zustehenden Schadensersatzleistungen erhalten hatte.
- Folgen: Die Transporter-Eigentümerin erhielt keine weiteren Zahlungen für den Sachschaden und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, da das Gericht ihre Mithaftung als mindestens hälftig einschätzte und sie bereits überzahlt war.
Der Fall vor Gericht
Ein stehendes Fahrzeug auf der Autobahn: Ein alltägliches Risiko
Jeder Autofahrer kennt die Situation und den Schrecken, der damit verbunden ist: Auf einer schnell befahrenen Autobahn steht plötzlich ein Fahrzeug auf der Fahrspur. Ein solches Hindernis ist extrem gefährlich. Kommt es zu einem Auffahrunfall, stellt sich unweigerlich eine komplexe Frage: Wer trägt die Schuld? Ist es allein die Person, die aufgefahren ist, weil sie nicht aufgepasst hat? Oder trägt auch der Fahrer des stehenden Fahrzeugs eine Mitverantwortung, weil er eine so große Gefahr geschaffen hat? Genau mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein befassen.
Der Unfall: Ein Schwertransporter hält auf der Fahrbahn an
An einem Nachmittag im September 2021 war ein sogenannter Schwertransporter – ein Lastwagen mit Überbreite – auf der Autobahn A210 unterwegs. Dieses Fahrzeug wurde von einem Angestellten der Eigentümerin, im Folgenden „die LKW-Eigentümerin“ genannt, gefahren….