Ein großzügiger letzter Wille sollte ein ganzes Vermögen in eine gemeinnützige Stiftung überführen. Doch eine einzige, scheinbar unantastbare Anordnung des Erblassers drohte das gesamte Vorhaben zu Fall zu bringen: ein teures Grundstück, das nicht verkauft werden durfte. Stand der eigentliche Lebenszweck des Verstorbenen damit vor dem Aus? Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein musste entscheiden, ob der Wille wichtiger ist als die Anweisung. Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 Wx 54/23 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
- Datum: 13.06.2024
- Aktenzeichen: 3 Wx 54/23
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Stiftungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Testamentsvollstrecker, der die Außerkraftsetzung einer Anordnung des Erblassers beantragte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Erblasser verfügte, dass eine von ihm zu gründende gemeinnützige Stiftung Alleinerbin seines Nachlasses wird, wobei ein bestimmtes Grundstück (M) nicht verkauft werden durfte. Der Testamentsvollstrecker beantragte die Außerkraftsetzung dieses Veräußerungsverbots für Grundstück M, um die hohen Nachlassverbindlichkeiten zu decken und die Stiftung handlungsfähig zu machen.
- Kern des Rechtsstreits: Die Kernfrage war, ob eine testamentarische Anordnung des Erblassers, ein Grundstück nicht zu veräußern, aufgehoben werden kann, um die Gründung und Anerkennung der als Erbin eingesetzten gemeinnützigen Stiftung zu ermöglichen, wenn diese Anordnung die Existenz der Stiftung gefährden würde.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht änderte die Entscheidung des Amtsgerichts ab und setzte die testamentarische Anordnung des Erblassers außer Kraft, dass das Grundstück M nicht veräußert werden darf. Es wurden keine Gerichtskosten erhoben und keine Kostenerstattung angeordnet.
- Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass die Befolgung des Veräußerungsverbots die wirtschaftliche Existenz der Stiftung erheblich gefährden würde, da die Anerkennung der Stiftung ohne den Verkauf von Grundstück M und die Sanierung weiterer Immobilien nicht möglich wäre. Der zentrale Erblasserwille, eine funktionierende Stiftung zu gründen, habe Vorrang vor einzelnen Anordnungen.
- Folgen: Durch die Entscheidung wird die Möglichkeit geschaffen, die gemeinnützige Stiftung gemäß dem Hauptwillen des Erblassers zu gründen und anzuerkennen. Dies sichert die Erfüllung der Stiftungszwecke und verhindert, dass die gesetzliche Erbfolge eintritt.
Der Fall vor Gericht
Ein letzter Wille in der Zwickmühle: Wenn Wünsche sich widersprechen
Ein Testament soll den letzten Willen einer Person umsetzen. Aber was passiert, wenn dieser Wille widersprüchliche Anweisungen enthält? Stellen Sie sich vor, jemand möchte sein gesamtes Vermögen einer wohltätigen Stiftung hinterlassen, verbietet aber gleichzeitig den Verkauf einer Immobilie, deren Unterhalt so teuer ist, dass die Stiftung pleitegehen würde, bevor sie überhaupt richtig arbeiten kann. Genau mit dieser kniffligen Frage musste sich das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein beschäftigen. Es ging um die Kernfrage: Darf man eine Anweisung im Testament ignorieren, um den übergeordneten Wunsch des Verstorbenen zu retten?
Das Erbe: Eine Stiftung, Immobilien und hohe Schulden
Ein Mann verstarb, ohne Ehefrau oder Kinder zu hinterlassen….