Ein Bauvorhaben gerät ins Stocken: Der Handwerker verlangt eine Bauhandwerkersicherung, doch der Auftraggeber kündigt stattdessen den Vertrag. Was wie ein klarer Fall für die Rückzahlung einer hohen Anzahlung aussieht, entpuppt sich als teurer Irrtum. Ein aktuelles Urteil zeigt, wie schnell Bauherren auf erheblichen Kosten sitzenbleiben, selbst wenn der Handwerker kaum Leistungen erbracht hat. Zum vorliegenden Urteil Az.: 12 U 156/22 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
- Datum: 11.09.2024
- Aktenzeichen: 12 U 156/22
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Baurecht, Vertragsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Partei, die die Rechte aus einem Bauvertrag von der ursprünglichen Auftraggeberin (Firma R GmbH) übernommen und den Vertrag mit dem Bauunternehmen beendet hatte. Sie forderte die Rückzahlung einer Anzahlung.
- Beklagte: Das Bauunternehmen, das den Bauvertrag ursprünglich mit der Firma R GmbH geschlossen hatte. Es beanspruchte nach der Vertragsbeendigung eine Vergütung für die erbrachten Leistungen.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein Bauunternehmer (Beklagter) hatte einen Vertrag mit der Firma R GmbH geschlossen, wofür eine Anzahlung geleistet wurde. Nachdem die Firma R GmbH in Zahlungsschwierigkeiten geriet, übernahm die Klägerin die Vertragsrechte und kündigte den Vertrag mit dem Bauunternehmer. Die Klägerin forderte daraufhin die Rückzahlung der Restanzahlung, während der Bauunternehmer eine Vergütung verlangte.
- Kern des Rechtsstreits: Die Kernfrage war die rechtliche Einordnung der Vertragsbeendigung durch die Klägerin und die daraus resultierenden finanziellen Ansprüche des Bauunternehmers. Es ging insbesondere um die Anrechnung von ersparten Aufwendungen und nicht erzielten Gewinnen auf den Vergütungsanspruch des Bauunternehmers bei einer freien Kündigung des Bauvertrags.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht änderte das Urteil der Vorinstanz teilweise ab. Der Bauunternehmer (Beklagter) wurde verurteilt, an die Klägerin 1.843,47 € zuzüglich Zinsen zu zahlen. Die weitergehenden Klageforderungen der Klägerin wurden abgewiesen.
- Begründung: Die Vertragsbeendigung durch die Klägerin wurde als „freie Kündigung“ nach § 648 BGB eingestuft, da keine Pflichtverletzung des Bauunternehmers vorlag, die eine Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt hätte. Der Bauunternehmer hatte seine Leistung nicht endgültig verweigert, sondern lediglich eine Sicherheitsleistung gefordert, was sein gutes Recht war. Der Bauunternehmer konnte seinen Vergütungsanspruch (nicht erbrachte Leistungen abzüglich ersparter Aufwendungen wie Material- und Lohnkosten) der Rückzahlungsforderung der Klägerin entgegenhalten. Nach dieser Aufrechnung verblieb ein Betrag von 1.843,47 €, den der Bauunternehmer an die Klägerin zurückzahlen musste.
- Folgen: Die Kosten des Rechtsstreits wurden zu 89% der Klägerin und zu 11% dem Bauunternehmer auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Ein Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten wurde der Klägerin mangels Verzugs des Bauunternehmers nicht zugesprochen.
Der Fall vor Gericht
Streit auf der Baustelle: Wer zahlt, wenn der Auftraggeber kündigt?
Jeder, der schon einmal gebaut oder eine größere Renovierung in Auftrag gegeben hat, kennt die Sorgen: Hält sich der Handwerker an den Zeitplan? Werden die Kosten eingehalten?…