Stellen Sie sich vor, ein lukratives Geschäft endet jäh im Gefängnis, doch Jahre später wird die Substanz, mit der Sie handelten, plötzlich legal. Für Herrn H. schien ein Ausweg aus der Haft zum Greifen nah, als Deutschlands Cannabis-Gesetzgebung sich revolutionär änderte. Doch kann ein Gericht wirklich eine alte Verurteilung aufheben, nur weil sich die Regeln im Nachhinein änderten – oder bleibt ein Deal in den Niederlanden für das deutsche Strafrecht ein Betäubungsmittel-Verbrechen?
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Der BGH hat entschieden: Cannabis bleibt für die internationale Strafverfolgung (§ 6 Nr. 5 StGB) ein Betäubungsmittel, trotz teilweiser Legalisierung durch das KCanG.
- Deutsche Gerichte können daher grenzüberschreitenden Cannabis-Handel, der auf Deutschland abzielt, weiterhin verfolgen.
- Diese Auslegung basiert auf der „autonomen“ Bedeutung des Begriffs „Betäubungsmittel“ im StGB, unabhängig vom BtMG, und internationalen Abkommen.
- Für die Strafzumessung ist jedoch das mildere Konsumcannabisgesetz (KCanG) statt des alten Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) anzuwenden (§ 2 Abs. 3 StGB).
- Dies führt zur Aufhebung bestehender Strafen und zur Neuverhandlung unter den potenziell günstigeren Bedingungen des KCanG.
- Praktischer Hinweis: Kommerzieller grenzüberschreitender Cannabis-Handel bleibt hochriskant und strafbar; laufende Verfahren profitieren von der neuen, milderen Rechtslage.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss Az.: 3 StR 399/24 vom 5. März 2025
BGH-Paukenschlag: Cannabis bleibt für Deutschlands Strafrecht ein Betäubungsmittel
Anfang 2020 schien für Herrn H. ein lukratives Geschäftsmodell in greifbarer Nähe. Gemeinsam mit einem Hintermann namens „N.“ plante er, von den Niederlanden aus den deutschen Cannabis-Markt zu bedienen. Die Arbeitsteilung war klar: „N.“, organisierte das Marihuana, Herr H. war der Mann vor Ort im niederländischen R., der die Übergaben mit den deutschen Käufern abwickelte. Für seine Dienste sollte er 300 € pro Geschäft erhalten. Sein Nachbar, Herr T., half ihm dabei, ohne selbst finanziell zu profitieren. Das Geschäft lief an. Am 28. März 2020 fand die erste große Übergabe statt. Herr T. chauffierte die deutschen Abnehmer zu einem Treffpunkt, wo Herr H. ihnen mindestens fünf Kilogramm Marihuana mit einem hohen Wirkstoffgehalt von mindestens 500 Gramm THC aushändigte. Im Gegenzug erhielt er 22.000 € in bar für seinen Boss. Wenige Wochen später, am 10. April 2020, folgte der zweite Deal. Diesmal stellte Herr T. sein eigenes Haus für die Übergabe von 2,5 Kilogramm Marihuana zur Verfügung. Der Preis: 11.000 €. Doch dieses Mal ging etwas schief. Auf dem Rückweg nach Deutschland wurden die Käufer von der Polizei gestoppt und die Drogen sichergestellt. Für die beiden Männer aus den Niederlanden hatte dies gravierende Folgen. Das Landgericht Duisburg verurteilte Herrn H. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Herr T. erhielt wegen Beihilfe eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Doch während ihr Fall den Weg zum Bundesgerichtshof (BGH) fand, änderte sich in Deutschland die Rechtslage grundlegend: Zum 1. April 2024 trat das Konsumcannabisgesetz in Kraft. Plötzlich war die Substanz, mit der die Männer gehandelt hatten, in Deutschland teilweise legal….