Die exakte Erfassung der Arbeitszeit ist für viele Arbeitnehmer Alltag. Doch wie weit darf ein Arbeitgeber gehen, wenn er einen Arbeitszeitbetrug vermutet und seinen Mitarbeiter zu einem Aufhebungsvertrag drängen will? Vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg wehrte sich ein langjähriger Wäscher erfolgreich gegen seine Entlassung. Der Fall zeigt: Auch die Drohung mit einer fristlosen Kündigung hat rechtliche Grenzen. Zum vorliegenden Urteil Az.: 7 Sa 1394/21 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: LAG Berlin-Brandenburg
- Datum: 25.01.2022
- Aktenzeichen: 7 Sa 1394/21
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein seit Juli 2000 als Wäscher/Transporter bei der Beklagten beschäftigter Arbeitnehmer. Er focht einen unter Drohung einer fristlosen Kündigung geschlossenen Aufhebungsvertrag an und forderte seine Weiterbeschäftigung.
- Beklagte: Das Unternehmen, bei dem der Kläger angestellt ist. Sie warf dem Kläger Arbeitszeitbetrug vor und bot ihm zur Vermeidung einer fristlosen Kündigung einen Aufhebungsvertrag an. Sie verteidigte die Wirksamkeit dieses Vertrages und die Richtigkeit der Kündigungsandrohung.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Kläger wurde von der Beklagten verdächtigt, Umkleidezeiten als Arbeitszeit gebucht zu haben. Nach einer Datenanalyse und Personalgesprächen bot die Beklagte dem Kläger einen Aufhebungsvertrag an, um eine fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs zu vermeiden. Der Kläger unterzeichnete den Vertrag, focht ihn aber kurz darauf wegen widerrechtlicher Drohung an.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob die Anfechtung des Aufhebungsvertrages wirksam war. Dies hing davon ab, ob die Beklagte den Kläger widerrechtlich mit einer außerordentlichen Kündigung gedroht hatte, d.h., ob die angedrohte Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Gericht Bestand gehabt hätte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg änderte das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise ab und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht zum 31.12.2020 beendet wurde. Die Beklagte wurde zudem verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen. Die weitergehende Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen.
- Begründung: Die Anfechtung des Aufhebungsvertrages durch den Kläger war wirksam, da die Beklagte ihn widerrechtlich durch die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung zum Abschluss des Vertrages bestimmt hatte. Die Androhung war widerrechtlich, weil die Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses davon ausgehen musste, dass eine solche Kündigung einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten würde. Es fehlten hinreichende Tatsachen für einen wichtigen Kündigungsgrund, und eine Abmahnung war im vorliegenden Fall nicht entbehrlich.
- Folgen: Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten besteht fort. Der Kläger hat einen Anspruch auf Fortsetzung seiner Beschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Gerichtsverfahrens.
Der Fall vor Gericht
Kündigungsdrohung und Aufhebungsvertrag: Ein genauer Blick auf ein Urteil
Viele kennen es aus dem Arbeitsalltag: Die Arbeitszeit wird erfasst, sei es per Stempeluhr oder digital. Doch was passiert, wenn der Arbeitgeber den Verdacht hegt, dass hier geschummelt wird?…