Ein Ehevertrag, der eine Frau kurz vor der Hochzeit von fast allen Ansprüchen nach einer Scheidung ausschließen sollte, ist nun für nichtig erklärt worden. Die Braut war bei der Unterzeichnung schwanger und verzichtete umfassend auf Zugewinn, Versorgungsausgleich und Unterhalt. Ein Gericht urteilte jetzt: Solch ein Pakt kann sittenwidrig sein. Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 UF 166/23 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Zweibrücken
- Datum: 18.06.2024
- Aktenzeichen: 2 UF 166/23
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren im Familienrecht
- Rechtsbereiche: Familienrecht, Bürgerliches Recht (BGB)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ehefrau, die die Scheidung sowie Ansprüche auf Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt beantragt hat und gegen die Abweisung ihrer Anträge in erster Instanz Beschwerde eingelegt hat, mit der Begründung, der Ehevertrag sei sittenwidrig.
- Beklagte: Ehemann, von Beruf Geschäftsmann, der ebenfalls die Scheidung beantragt, aber die Zurückweisung der Anträge der Ehefrau gefordert hat und die Abweisung der Beschwerde beantragt hat, mit der Begründung, der Ehevertrag sei gültig.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Die Eheleute schlossen 1995, als die Ehefrau im dritten Monat schwanger war, einen notariellen Ehevertrag, der Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt ausschloss. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor; die Ehefrau gab eigene Karrierepläne auf, arbeitete im Betrieb des Ehemannes und kümmerte sich um Haushalt und Kinder, leidet heute unter schweren Erkrankungen und bezieht Erwerbsminderungsrente.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob der 1995 geschlossene Ehevertrag wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist und ob stattdessen die gesetzlichen Regelungen für die Scheidungsfolgen gelten.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat die erstinstanzliche Entscheidung im Punkt Zugewinnausgleich abgeändert und den Ehemann zur umfassenden Auskunft über sein Vermögen zu drei Stichtagen sowie zur Belegung dieser Auskunft durch zahlreiche Unterlagen verpflichtet. Im Übrigen wurde die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, auch bezüglich der Kosten.
- Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass der Ehevertrag vom 28. April 1995 nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig sei, da er eine evident einseitige und unzumutbare Lastenverteilung zum Nachteil der Ehefrau vorsehe und bei Vertragsschluss eine unterlegene Verhandlungsposition der Ehefrau vorlag.
- Folgen: Aufgrund der Nichtigkeit des Ehevertrages gelten die gesetzlichen Regelungen zu den Scheidungsfolgen, was bedeutet, dass Versorgungsausgleich durchzuführen ist und Ansprüche auf Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt dem Grunde nach bestehen. Das Amtsgericht muss nun die Höhe des Zugewinnausgleichs und des Unterhalts feststellen und abschließend über die Scheidung entscheiden.
Der Fall vor Gericht
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