Ein Fall vor Gericht zeigt, wie heikel eine Nacherbschaft sein kann. Es ging um eine knappe Frist und eine Erklärung, die scheinbar zu spät ankam. Doch das Gericht traf eine Entscheidung, die den Gang der Erbschaft komplett änderte. Ein Notarfehler wird zur höheren Gewalt und bestimmt nun, wer rückwirkend ein großes Vermögen erbt. Zum vorliegenden Urteil Az.: 5 W 46/24 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Saarbrücken
- Datum: 21. August 2024
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Antragstellerin, als Erbin der Vorerbin, beantragte einen Erbschein für sich oder hilfsweise für ihre Mutter als alleinige Erbin des Erblassers.
- Beklagte: Nacherben und Ersatznacherben, die die Nacherbschaft ausgeschlagen hatten.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Nach dem Tod der Vorerbin im Januar 2021 trat der Nacherbfall ein. Die Nacherben erklärten im März 2021 notariell die Ausschlagung der Nacherbschaft, deren Eingang beim Nachlassgericht sich verzögerte.
- Kern des Rechtsstreits: Der Streitpunkt war, ob die Ausschlagung der Nacherbschaft fristgerecht erfolgte und ob die Vorerbin dadurch rückwirkend zur alleinigen Vollerbin wurde.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht gab der Beschwerde der Antragstellerin im Hilfsantrag statt. Es hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und wies an, einen Erbschein für die Mutter der Antragstellerin als alleinige Erbin des Erblassers auszustellen.
- Begründung: Das Gericht befand die Ausschlagung als fristgerecht, da die Verzögerung beim Eingang durch das Notariat eine Hemmung der Frist wegen höherer Gewalt begründete. Da alle Nach- und Ersatznacherben wirksam ausgeschlagen hatten und der Erbvertrag keine abweichende Regelung vorsah, verblieb die Erbschaft rückwirkend bei der Vorerbin.
- Folgen: Die Vorerbin (Mutter der Antragstellerin) wird als alleinige Vollerbin des Erblassers betrachtet. Die Antragstellerin ist als deren Erbin berechtigt, einen entsprechenden Erbschein zu erhalten.
Der Fall vor Gericht
OLG Saarbrücken: Verspätete Ausschlagung der Nacherbschaft bei Notarfehler doch wirksam – Ehefrau wird rückwirkend Alleinerbin
Ein komplexer Erbfall beschäftigte das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken: Im Kern ging es um die Frage, ob eine Nacherbschaft auch dann wirksam ausgeschlagen werden kann, wenn die dafür notwendige Erklärung das Nachlassgericht scheinbar zu spät erreicht. Die Richter entschieden, dass eine Verzögerung durch das Verschulden eines Notariats als Höhere Gewalt zu werten ist und die Ausschlagungsfrist hemmen kann. Dies führte im konkreten Fall dazu, dass die ursprünglich als Vorerbin eingesetzte Ehefrau des Erblassers rückwirkend zur Vollerbin wurde, und ihre Tochter nun einen entsprechenden Erbschein beanspruchen kann.
Die Ausgangslage: Ein Erbvertrag mit Vor- und Nacherbschaft nach dem Tod des Erblassers
Der Fall nahm seinen Anfang mit dem Tod des Erblassers am 24. Februar 2011. Kurz zuvor, am 18. Februar 2011, hatte er gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Mutter der späteren Antragstellerin des Erbscheins, einen Erbvertrag geschlossen. In diesem Vertrag wurde die Ehefrau als alleinige, sogenannte befreite Vorerbin eingesetzt. Dies bedeutet, dass sie zwar Erbin wurde, aber bestimmten Beschränkungen unterlag, da nach ihrem Tod das Erbe an andere Personen, die Nacherben, fallen sollte….