Für Menschen im Bürgergeld-Bezug bedeutet eine kaputte Brille oft mehr als nur ein Ärgernis: Es ist eine existenzielle Frage, wer die hohen Reparaturkosten übernimmt, wenn das Budget keine Spielräume lässt. Das Jobcenter lehnt Anträge häufig ab und verweist auf den Regelbedarf. Ein spektakulärer Fall landete nun vor dem Landessozialgericht in Nordrhein-Westfalen, das eine wegweisende Entscheidung traf. Dieses Urteil enthüllt, unter welchen Bedingungen das Jobcenter für die Sehhilfe zahlen muss und wo die Fallstricke lauern.
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Das Jobcenter muss Kosten für die Reparatur einer kaputten Brille übernehmen, wenn es sich wirklich um eine Reparatur handelt und die Brille weiterverwendet wird. Der einfache Austausch zerkratzter Gläser gilt hier als Reparatur, nicht als Neuanschaffung.
- Betroffen sind Menschen, die Bürgergeld beziehen und dringend auf therapeutische Hilfsmittel wie Brillen angewiesen sind.
- Bevor Kosten selbst getragen werden, sollte zuerst die Krankenkasse kontaktiert werden, da sie vorrangig zuständig ist. Wird dies nicht beachtet, kann der Anspruch auf Erstattung verloren gehen.
- Das Jobcenter springt dann als „Ausfallbürge“ ein, übernimmt aber nur die Kosten, die medizinisch notwendig und angemessen sind – teurere, komfortable Extras müssen selbst bezahlt werden.
- Wichtig ist, alle Anträge schriftlich zu stellen, Belege gut aufzubewahren und bei Ablehnung Widerspruch oder Klage innerhalb der Fristen einzulegen.
- Das Urteil stärkt die Rechte von Bürgergeld-Empfängern, macht aber auch deutlich, wie wichtig korrekte Verfahrenswege sind, damit Hilfen nicht verloren gehen.
- Das Urteil wurde vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen gefällt und wird nun vom Bundesgerichtshof überprüft, daher könnten sich die Regeln in Zukunft noch ändern.
Quelle: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Az.: L 12 AS 116/23 vom 27. November 2024
Brille kaputt, Geld knapp: Wann das Jobcenter für die Reparatur einspringen muss – Ein wegweisendes Urteil und seine Folgen
Ein unglücklicher Sturz, eine zerbrochene Brille – für viele Menschen ein Ärgernis, für Bezieher von Bürgergeld oft eine finanzielle Katastrophe. Die Kosten für eine neue Sehhilfe oder auch nur für neue Gläser können schnell mehrere hundert Euro betragen, eine Summe, die im knappen Budget kaum unterzubringen ist. Genau mit einem solchen Fall musste sich das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen auseinandersetzen. Das Urteil (Aktenzeichen L 12 AS 116/23) gibt Betroffenen Hoffnung, zeigt aber auch klar die Grenzen der Kostenübernahme durch das Jobcenter auf und unterstreicht die Wichtigkeit, formale Wege einzuhalten. Stellen wir uns Frau S. vor, eine Bürgergeld-Empfängerin aus Köln. Im Dezember 2019 hatte sie sich eine neue Gleitsichtbrille für insgesamt 900 Euro angeschafft – eine Investition in gutes Sehen, die wohlüberlegt war. Die Fassung kostete 140 Euro, die hochwertigen Gläser jeweils 380 Euro. Doch das Glück währte nicht lange. Etwa acht Monate später, im August 2020, stürzte Frau S. und verletzte sich im Gesicht. Die unglückliche Folge: Beide Brillengläser waren stark zerkratzt und unbrauchbar geworden. Das Brillengestell selbst konnte glücklicherweise gerichtet und weiterverwendet werden. Ohne funktionierende Brille war Frau S. in ihrem Alltag jedoch stark eingeschränkt.
Der steinige Weg zum Ersatz: Antrag, Ablehnung und der Gang vor Gericht
Am 11. September 2020 wandte sich Frau S….