Die Frage, ob jahrelange Erfahrung in „leitender Stellung“ den klassischen Meisterbrief ersetzen kann, beschäftigt die Gerichte. Ein Handwerker kämpfte um diese seltene Ausübungsberechtigung, nachdem die zuständige Behörde seine Nachweise anzweifelte. Nach einer ersten gerichtlichen Abfuhr sahen höhere Richter nun doch ausreichende Anhaltspunkte für seinen Anspruch. Damit steht dem Gesellen der Weg zur Klärung vor Gericht offen. Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 E 816/21 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
- Datum: 15.03.2022
- Aktenzeichen: 4 E 816/21
- Verfahrensart: Beschluss (Prozesskostenhilfe-Beschwerde)
- Rechtsbereiche: Handwerksrecht, Prozesskostenhilfe
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Person, die eine Ausübungsberechtigung für ein Handwerk beantragte, deren Antrag abgelehnt wurde und die gegen die Ablehnung Klage erhob sowie Prozesskostenhilfe beantragte.
- Beklagte: Die Behörde oder Kammer, die den Antrag des Klägers auf Erteilung der Ausübungsberechtigung ablehnte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Kläger beantragte eine Handwerkslizenz, die eine Tätigkeit von vier Jahren in leitender Stellung voraussetzt. Die zuständige Behörde/Kammer lehnte den Antrag ab, da sie den Nachweis der leitenden Tätigkeit nicht als ausreichend ansah. Nachdem das erstinstanzliche Gericht dem Kläger Prozesskostenhilfe für seine Klage gegen die Ablehnung verweigert hatte, legte er Beschwerde ein.
- Kern des Rechtsstreits: Zentral war die Frage, ob die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als „Bauleiter“ die im Handwerksrecht geforderte „qualifizierte Leitende Stellung“ erfüllte. Im Beschwerdeverfahren ging es darum, ob die Klage des Klägers gegen die Ablehnungsentscheidung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, was über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entscheidet.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberverwaltungsgericht änderte den Beschluss des Verwaltungsgerichts. Dem Kläger wurde Prozesskostenhilfe für sein Klageverfahren erster Instanz bewilligt.
- Begründung: Das Gericht bewilligte Prozesskostenhilfe, weil die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Schwierige und ungeklärte Tatsachenfragen zur genauen Art und Qualität der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit als Bauleiter müssten im Hauptverfahren umfassend geklärt werden. Eine solche Klärung darf nicht bereits im Prozesskostenhilfeverfahren vorweggenommen werden.
- Folgen: Der Kläger erhält finanzielle Unterstützung für die Gerichtskosten und Anwaltskosten in der ersten Instanz. Das Gericht muss nun im Hauptverfahren die notwendige Sachverhaltsaufklärung durchführen, um zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die begehrte Handwerkslizenz tatsächlich vorliegen.
Der Fall vor Gericht
Prozesskostenhilfe für Handwerker: OVG NRW bejaht Erfolgsaussichten bei Streit um leitende Stellung nach § 7b HwO
Ein Handwerker beantragte bei der zuständigen Behörde die Erteilung einer sogenannten Ausübungsberechtigung nach § 7b der Handwerksordnung (HwO). Diese Regelung, oft als „Altgesellenregelung“ bezeichnet, ermöglicht es erfahrenen Gesellen unter bestimmten Voraussetzungen, auch ohne Meisterbrief einen zulassungspflichtigen Handwerksbetrieb zu führen. Eine zentrale Voraussetzung ist dabei der Nachweis einer langjährigen Berufserfahrung, insbesondere einer mehrjährigen Tätigkeit in einer leitenden Stellung….