Der Geruch von frischem Fleisch weicht dem bitteren Duft juristischen Streits. Ein langjähriger Fleischer sollte nach Ansicht seines Arbeitgebers wegen angeblich fehlender Temperaturkontrollen und einem Fehltag seinen Job verlieren. Eine Kündigung wurde ausgesprochen. Die Richter sahen dafür jedoch keinen ausreichenden Grund. Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 Sa 58/20 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
- Datum: 18.03.2022
- Aktenzeichen: 4 Sa 58/20
- Verfahrensart: Urteil
- Rechtsbereiche: Arbeitsrecht, Kündigungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein langjährig beschäftigter, schwerbehinderter Fleischer.
- Beklagte: Eine Arbeitgeberin, die Warenhäuser betreibt.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Ein seit 2007 beschäftigter, schwerbehinderter Arbeitnehmer wurde nach mehreren Vorfällen, insbesondere unentschuldigtem Fehlen und angeblicher Verletzung von Dokumentationspflichten bei Temperaturkontrollen, außerordentlich fristlos sowie hilfsweise ordentlich gekündigt. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage gegen diese Kündigungen.
- Kern des Rechtsstreits: Zentral war die Frage, ob die dem Arbeitnehmer vorgeworfenen Pflichtverletzungen, namentlich unentschuldigtes Fehlen und fehlerhafte Dokumentation von Temperaturkontrollen, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche oder eine ordentliche Kündigung darstellten. Dabei waren auch die Umstände der Vorfälle sowie das Gewicht früherer Abmahnungen relevant.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Sächsische Landesarbeitsgericht wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Damit wurde die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt, dass sowohl die außerordentliche Kündigung vom 07.06.2019 als auch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 01.07.2019 unwirksam waren.
- Begründung: Das Gericht sah keinen wichtigen Grund für eine Kündigung. Das unentschuldigte Fehlen war keine „Beharrliche Arbeitsverweigerung“, da es keine einschlägige Abmahnung gab und das Verhalten des Arbeitnehmers nicht auf eine nachdrückliche Weigerung hindeutete. Eine schuldhafte Verletzung der Dokumentationspflichten konnte von der Arbeitgeberin nicht bewiesen werden; die Darstellung des Arbeitnehmers, die Dokumentationskarte sei nicht auffindbar gewesen, war plausibel. Sehr alte Abmahnungen waren zudem nicht mehr verwertbar.
- Folgen: Die gerichtliche Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin fortbesteht.
Der Fall vor Gericht
LAG Sachsen: Fristlose Kündigung eines schwerbehinderten Fleischers wegen Fehltag und Dokumentationsfehlern unwirksam
Das Sächsische Landesarbeitsgericht hat in einem Urteil vom 18. März 2022 (Az.: 4 Sa 58/20) entschieden, dass die fristlose und auch die hilfsweise ordentliche Kündigung eines langjährig beschäftigten, schwerbehinderten Fleischers durch seinen Arbeitgeber unwirksam sind. Die Arbeitgeberin, die bundesweit Warenhäuser betreibt, hatte dem Mitarbeiter gekündigt, weil er an einem Tag unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sein soll und weil er angeblich Dokumentationspflichten bei Temperaturkontrollen verletzt habe. Das Gericht bestätigte damit eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Chemnitz und wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück….