Sie schlugen das Erbe aus, weil sie es für mittellos hielten. Als sich dann doch Geld fand, wollten die Geschwister ihre Entscheidung rückgängig machen, doch ihr Versuch scheiterte offenbar. Plötzlich wusste ein Gläubiger nicht mehr, wer überhaupt als Erbe für seine Forderung haftete. Das Gericht musste nun klären, wie trotz der unsicheren Rechtslage der Nachlass für den Anspruch gesichert werden kann. Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 W 35/21 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Bamberg
- Datum: 21.03.2022
- Aktenzeichen: 2 W 35/21
- Verfahrensart: Beschluss
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Sozialrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Bezirk als Nachlassgläubiger, der Kostenersatzansprüche geltend machte und die Anordnung einer Nachlasspflegschaft beantragte.
- Beklagte: Das Nachlassgericht, dessen ablehnender Beschluss im Beschwerdeverfahren angefochten wurde.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Nach dem Tod eines Erblassers schlugen seine Geschwister die Erbschaft aus. Als später ein Nachlassvermögen bekannt wurde, fochten die Geschwister ihre Ausschlagung an. Ein Nachlassgläubiger (ein Bezirk) beantragte daraufhin eine Nachlasspflegschaft, da die Erbenstellung der Geschwister wegen möglicher Unwirksamkeit der Anfechtung unklar sei.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob ein Gläubiger, dessen Forderung noch nicht gerichtlich festgestellt ist, die Bestellung eines Nachlasspflegers verlangen kann, wenn die Erbenstellung unsicher ist, insbesondere weil eine Erbausschlagung angefochten wurde, deren Wirksamkeit aber zweifelhaft ist.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht änderte die Entscheidung des Nachlassgerichts ab. Es ordnete eine Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben zur Vertretung gegenüber dem Gläubiger an und bestellte einen Nachlasspfleger.
- Begründung: Die Voraussetzungen für eine Nachlasspflegschaft auf Antrag eines Gläubigers lagen vor, da die Erbenstellung ungewiss war. Die Anfechtung der Erbausschlagung durch die Geschwister war nach Ansicht des Gerichts wahrscheinlich zu spät beim Nachlassgericht eingegangen und daher unwirksam, was die Erbenstellung unsicher machte. Der Gläubiger hatte ein berechtigtes Interesse, da sein Anspruch gegen den Nachlass gerichtet war und er mangels Titulierung keinen eigenen Erbschein beantragen konnte.
- Folgen: Ein Nachlasspfleger wurde bestellt, der den Nachlass nun gegenüber dem Nachlassgläubiger vertritt. Dies ermöglicht dem Gläubiger, seinen Anspruch gegen die Erbschaft zu verfolgen.
Der Fall vor Gericht
OLG Bamberg: Nachlasspfleger für Gläubiger bei unsicherer Erbfolge nach Anfechtung der Erbausschlagung (§ 1961 BGB)
Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hat in einem Beschluss vom 21. März 2022 (Az.: 2 W 35/21) entschieden, dass ein Nachlassgläubiger auch dann die Bestellung eines Nachlasspflegers verlangen kann, wenn zwar potenzielle Erben bekannt sind, deren Erbenstellung aber aufgrund einer möglicherweise unwirksamen Anfechtung ihrer vorherigen Erbausschlagung ungewiss ist. Dies gilt insbesondere, wenn Zweifel an der Einhaltung der Anfechtungsfrist oder der rechtlichen Relevanz des Anfechtungsgrundes bestehen und der Gläubiger seinen Anspruch gegen den Nachlass sonst nicht verfolgen könnte, weil er keine gerichtlich festgestellte (titulierte) Forderung hat….