Als plötzlich höhere Mauern als erwartet emporragten, forderte ein Gerüstbauer prompt mehr Geld – doch der Bauherr verweigerte die sofortige Zahlung. Ein Baustopp folgte, der nun vor Gericht ein überraschendes Urteil nach sich zog: Wer auf stur schaltet, bleibt am Ende auf den Kosten sitzen. Zum vorliegenden Urteil Az.: 6 O 276/20 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Potsdam
- Datum: 19.04.2023
- Aktenzeichen: 6 O 276/20
- Verfahrensart: Vergütungsstreit im Bauvertragsrecht
- Rechtsbereiche: Vertragsrecht, Bauvertragsrecht
- Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Leistet Gerüstbauarbeiten am Neubau eines Institutsgebäudes und fordert die vereinbarte Vergütung aufgrund des geschlossenen Vertrages.
- Beklagte: Auftraggeberin des Neubaus, die durch Übersendung einer eigenen Gerüstplanung zusätzliche bauliche Erfordernisse aufzeigte und im Rahmen der Widerklage eine Zahlung forderte.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Klägerin erbrachte Gerüstbauarbeiten an einem Neubau eines Institutsgebäudes. Am 13.09.2019 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Errichtung eines Fassadengerüsts auf Basis eines Angebots vom 31.07.2019 unter Einbeziehung der VOB/B und VOB/C ab. Im Verlauf der Arbeiten wurde festgestellt, dass erheblich mehr Gerüstmaterial und zusätzliche, vertraglich nicht vorgesehene Bauteile benötigt wurden, wie aus der Gerüstplanung der Beklagten vom 09.12.2019 ersichtlich.
- Kern des Rechtsstreits: Es wurde streitig, ob die Vergütungsansprüche der Klägerin für die erbrachten Gerüstbauarbeiten bestehen oder ob die Einrede und Gegenforderung der Beklagten (im Rahmen der Widerklage) die Zahlungspflicht der Klägerin begründen.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die ursprüngliche Klage der Klägerin wurde abgewiesen. Im Rahmen der Widerklage wurde die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 15.631,08 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2021 zu zahlen. Der übrige Teil der Widerklage blieb unberücksichtigt. Zudem trägt die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits und das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
- Folgen: Die Klägerin hat den festgesetzten Betrag samt Zinsen zu leisten und die Prozesskosten zu tragen. Das Urteil wird vorläufig vollstreckbar, sobald die erforderliche Sicherheitsleistung erbracht wird.
Der Fall vor Gericht
Gerichtsurteil zum Baustopp: Kündigung von Gerüstbauvertrag rechtens
Das Landgericht Potsdam fällte am 19. April 2023 ein Urteil in einem Rechtsstreit (Az.: 6 O 276/20) zwischen einem Gerüstbauunternehmen (im Folgenden Klägerin genannt) und einem Auftraggeber (im Folgenden Beklagte genannt). Im Kern des Falles stand die Frage, ob eine Kündigung eines Bauvertrages durch den Auftraggeber aufgrund einer Leistungseinstellung des Auftragnehmers rechtmäßig war. Der Streit entzündete sich an unterschiedlichen Auffassungen über die zu vergütenden Gerüstbaumengen und daraus resultierenden Mehrkostenforderungen der Klägerin. Die Beklagte, Bauherrin eines Institutsgebäudes in N., hatte die Klägerin mit Gerüstbauarbeiten beauftragt. Grundlage hierfür war ein Vertrag vom 13. September 2019, der auf einem Angebot der Klägerin basierte. Es wurde die Geltung der VOB/B und VOB/C vereinbart, die im deutschen Bauwesen übliche Vertragsbedingungen darstellen….