Ein Berliner Pfandleihhaus muss sich wegen Wucherverdachts vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: Ein Mann verkaufte seinen BMW für 3.000 Euro an das Pfandhaus und mietete ihn anschließend für 279 Euro monatlich zurück – der Wagen war jedoch mindestens doppelt so viel wert. Das Gericht erklärte den Kaufvertrag und die Rückmietung für sittenwidrig und nichtig. Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 U 57/21 | | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Kammergericht Berlin
- Datum: 24.09.2024
- Aktenzeichen: 2 U 57/21
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Zivilrecht, Wirtschaftsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Der Kläger ist eine Privatperson, die ihr Fahrzeug im Rahmen eines „sale and rent back“-Vertrags an die Beklagte verkauft hat. Der Kläger argumentiert, dass der vereinbarte Kaufpreis sittenwidrig niedrig war und seine finanzielle Notlage ausgenutzt wurde.
- Beklagte: Die Beklagte betreibt ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus und argumentiert, dass der Preis dem spezifischen Markt für solche Geschäfte entsprach und es keine Ausnutzung der Situation des Klägers gab.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Kläger verkaufte sein gebrauchtes Fahrzeug an die Beklagte, welche es ihm zur weiteren Nutzung vermietete. Der Kaufpreis von 3.000 € lag erheblich unter dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs, der später auf 7.000 € geschätzt wurde. Der Kläger fühlte sich bei Vertragsabschluss täuschungsbedingt in eine finanziell ungünstige Lage gebracht.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage war, ob der Kaufvertrag aufgrund der Unterschreitung des objektiven Verkehrswerts des Fahrzeugs und der Fortsetzung dieses Ungleichgewichts im Mietverhältnis sittenwidrig und daher nach § 138 BGB nichtig ist.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Das Landgericht hatte zu Recht festgestellt, dass der Kläger Eigentümer des Fahrzeugs bleibt, da der Kaufvertrag als wucherähnliches Rechtsgeschäft nichtig ist.
- Begründung: Das Gericht führte aus, dass ein auffälliges, grobes Missverhältnis zwischen dem Kaufpreis und dem Verkehrswert des Fahrzeugs vorlag. Der Kaufpreis betrug weniger als die Hälfte des Verkehrswerts, was auf eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten schließen lässt. Eine solche Sittenwidrigkeit führte zur Nichtigkeit des Vertrages.
- Folgen: Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen und das Urteil des Landgerichts Berlin bleibt in Vollzug. Der Kläger behält sein Eigentum am Fahrzeug. Das Urteil verdeutlicht die rechtlichen Grenzen bei „sale and rent back“-Geschäften und stärkt die Rechte von Verbrauchern in solchen Vertragskonstellationen.
Wucher und Abzocke im Sale and Rent Back: Verbraucher kämpfen um Rechte
In der Welt der Fahrzeugfinanzierung sind Begriffe wie Leasing, Mietkauf und Rückmietvertrag weit verbreitet. Unter den verschiedenen Finanzierungsmodellen kann das so genannte Sale and Rent Back aber schnell zu wucherähnlichen Geschäften führen, die Verbraucher in eine prekäre finanzielle Lage bringen können. Dabei verkauft der Verbraucher sein Fahrzeug an einen Anbieter und mietet es anschließend zurück, was oftmals als vermeintlich einfache Lösung zur Geldbeschaffung gilt, jedoch erhebliche rechtliche Risiken birgt. Gerade im Bereich des Verbraucherrechts gibt es viele Schutzmaßnahmen, die darauf abzielen, finanzielle Ausbeutung zu vermeiden. Dennoch sind Auto Wucherfälle und Abzocke beim Autokauf keine Seltenheit….