Sozialhilfeempfänger enterbt: Karlsruher Richter stärken Pflichtteilsstrafklauseln in Testamenten und sorgen für Überraschung im Erbstreit. Erben können aufatmen, Sozialhilfeträger müssen umdenken: Karlsruher Urteil setzt neue Maßstäbe im Erbrecht. Pflichtteilsstrafklausel im Testament: Karlsruher Richter entscheiden über den Zugriff des Sozialhilfeträgers auf das Erbe und sorgen für Aufsehen. Zum vorliegenden Urteil Az.: II-9 UF 76/23 | | Hilfe anfordern
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Die Beteiligte zu 1 erhielt vom Gericht die alleinige Erbschaft aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments.
- Die Pflichtteilsstrafklausel wurde angewendet, da der Beteiligte zu 2 nach dem Tod der Mutter den Pflichtteil eingefordert hatte.
- Der Sozialhilfeträger hatte den Pflichtteilsanspruch des Beteiligten zu 2 übernommen und geltend gemacht.
- Das Gericht entschied, dass die Pflichtteilsstrafklausel auch bei Forderungen durch den Sozialhilfeträger greift.
- Ziel der Pflichtteilsklausel ist der Schutz des überlebenden Ehegatten und die Gleichbehandlung der Erben.
- Eine einschränkende Auslegung der Klausel ist nicht notwendig, da keine besonderen Umstände wie bei Behindertentestamenten vorliegen.
- Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 wurde daher stattgegeben und sie wurde als Alleinerbin anerkannt.
- Das Gericht erhob keine Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren.
- Die Entscheidung der ersten Instanz wurde aufgehoben und das Nachlassgericht angewiesen, den Erbschein zu erteilen.
- Eine weitere rechtliche Überprüfung des Urteils wurde nicht zugelassen.
Erbrechtsstreit: Pflichtteilsanspruch bringt Schlusserben um Erbe
Das deutsche Erbrecht bietet grundsätzlich die Möglichkeit, durch ein Testament zu bestimmen, wer sein Erbe nach dem Tod antreten soll. Doch dieses Recht ist nicht unbegrenzt: Der Gesetzgeber schützt mit dem Pflichtteil bestimmte Familienangehörige, die einen Anspruch auf einen Teil des Erbes haben, auch wenn sie im Testament nicht erwähnt werden. Dies sind die sogenannten Pflichtteilsberechtigten, die im Gesetz namentlich aufgeführt sind. Zu diesen gehören beispielsweise die Kinder, der Ehegatte oder die Eltern des Erblassers. Ein Pflichtteilsanspruch kann jedoch auch mit einer Erbschaft kollidieren, die bereits auf einen Erben übergegangen ist und somit einen Anspruch auf das gesamte Erbe schafft. In diesem Fall ist der Pflichtteilsberechtigte dazu berechtigt, seinen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen und den übergegangenen Nachlass teilweise zurückzufordern. Dies kann mitunter dazu führen, dass der Schlusserbe, der eigentlich das gesamte Erbe erben sollte, nur einen Teil davon oder gar nichts aus dem Nachlass erhält. In jüngster Zeit gab es mehrere Fälle, die diese komplexe Rechtslage aufzeigen. Ein Fall, der nun vor Gericht verhandelt wurde, soll hier im Detail betrachtet werden.
Der Fall vor Gericht
Erbschaftsstreit: Pflichtteilsstrafklausel greift trotz Überleitung durch Sozialhilfeträger
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem Erbrechtsfall eine wichtige Entscheidung zur Wirksamkeit von Pflichtteilsstrafklauseln getroffen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob eine solche Klausel auch dann greift, wenn nicht der Pflichtteilsberechtigte selbst, sondern der Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch geltend macht.
Hintergrund des Rechtsstreits um das Erbe
Ein Ehepaar hatte in einem gemeinschaftlichen Testament vom 10.10.1994 festgelegt, dass sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen….