Risikoreiche Fahrt stellt kein verbotenes Rennen dar: Analyse der Entscheidung des Landgerichts Berlin
Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht Berlin (LG Berlin) zu entscheiden, ob eine riskante Fahrweise als „verbotenes Kraftfahrzeugrennen“ im Sinne des Paragrafen 315d Absatz 1 Nummer 3 des Strafgesetzbuchs (StGB) gewertet werden kann. Auslöser war ein Beschuldigter, dem vorgeworfen wurde, während einer nächtlichen Fahrt in Berlin bei einer zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h mit bis zu 120 km/h unterwegs gewesen zu sein und dabei rücksichtslos andere Fahrzeuge überholt zu haben. Als Beweis diente ein auf YouTube veröffentlichtes Video, das die fragliche Fahrt dokumentierte.
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Die Anklage und ihre Grundlage
Laut Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin ging es dem Beschuldigten darum, während seiner Fahrt eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu erreichen. Darüber hinaus sollte der Beschuldigte nach den Vorstellungen der Staatsanwaltschaft die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen Ungeeignetheit entzogen werden (§ 69 StGB). Als Grundlage für diese Anschuldigungen dienten die Videoaufnahmen, die die fragliche Fahrt dokumentierten und aufgrund derer Geschwindigkeiten und Verkehrsverstöße ermittelt wurden.
Der strittige Tatbestand
Eine entscheidende Frage war, ob die aggressive Fahrweise des Beschuldigten als „grob verkehrswidrig und rücksichtslos“ gelten kann und ob sie den charakteristischen Merkmalen eines Rennens entsprach. Eine „nicht angepasste Geschwindigkeit“ allein – d.h. eine Geschwindigkeit, die den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnissen nicht entspricht – galt in diesem Kontext als nicht ausreichend, um von einem verbotenen Rennen sprechen zu können.
Berücksichtigung der Gesetzesintention
Die Anwendung des § 315d StGB erfordert eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Dabei sind laut Gesetzgeber sowohl objektive als auch subjektive Rennmerkmale (z.B. Wettbewerbscharakter) erforderlich. Dabei sind die speziellen Merkmale eines Rennens zu berücksichtigen, wie etwa riskantes Fahrverhalten mit drohendem Kontrollverlust und damit verbundenen Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer. Laut Gericht liegt jedoch kein verbotenes Rennen vor, wenn die dramatische Fahrweise nicht signifikant über die Menge der bußgeldbelegten Geschwindigkeitsverstöße hinausragt und nicht die Qualität eines Renne[…]