Ausgleichung von Pflichtteilsansprüchen durch soziale Leistungen
Ein kürzlich ergangenes Urteil (2 O 120/15) wirft interessante Fragen im Zusammenhang mit dem Erbrecht und dem Konzept des Pflichtteils auf. Das Gericht hat entschieden, dass soziale Leistungen zur Minderung der sogenannten „pflichtteilsergänzungsrelevanten Zuwendungen“ beitragen können.
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Subjektive Äquivalenz im Erbrecht
Die Kernfrage dieses Falls lag in der Anrechnung von sozialen Leistungen auf den Pflichtteilsanspruch. Der Fall beinhaltete eine Partei (die Klägerin), die Anspruch auf einen Teil des Erbes erhob. Die Mutter der Parteien hatte allerdings zu Lebzeiten Vermögenswerte an die Beklagte übertragen. Die Klägerin argumentierte, dass diese Übertragung auf ihren Pflichtteilsanspruch angerechnet werden sollte.
Das Gericht musste darüber entscheiden, ob die Leistungen der Beklagten – einschließlich sozialer Interaktionen und Pflegeleistungen für die Mutter – eine legitime Minderung des Pflichtteilsanspruchs der Klägerin darstellen könnten. Im Kern geht es also um das Prinzip der subjektiven Äquivalenz im Erbrecht. Dieses Prinzip besagt, dass die Bewertung von Leistungen grundsätzlich dem Ermessen des Erblassers unterliegt.
Bewertung von sozialen Leistungen im Erbrecht
Die Beklagte hatte ihre Mutter im Seniorenheim mehrmals wöchentlich besucht und sie gelegentlich zum Essen nach Hause oder ins Restaurant eingeladen. Die Mutter schätzte diese Aktivitäten offenbar sehr hoch ein und ordnete sie den Pflegeleistungen zu Hause gleich.
Das Gericht stellte fest, dass es im Rahmen der Privatautonomie der Erblasserin stand, diesen sozialen Verrichtungen einen hohen Stellenwert einzuräumen und sie entsprechend finanziell zu bewerten. Es ist somit nicht maßgeblich, welchen tatsächlichen „Marktwert“ diese Dienste haben, sondern welche Bedeutung sie aus Sicht der Erblasserin haben.
Zeitpunkt für die Bewertung von Leistungen
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Urteils war die Feststellung, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung von Pflegeleistungen und anderen Verrichtungen der Zeitpunkt ist, an dem die Leistungen miteinander verknüpft werden. Das bedeutet, dass der Wert der Leistungen zum Zeitpunkt der Verknüpfung mit der Vermögensüberlassung und nicht zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin oder zu einem späteren Zeitpunkt bewertet wi[…]