OLG Celle – Az.: 14 U 22/22 – Urteil vom 24.08.2022
Auf die Berufung des Klägers wird das am 10. Januar 2021 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover – Az. 1 O 67/19 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall am …2018 an der Ecke I. / V., H. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergeben werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz tragen der Beklagte zu 10 Prozent und der Kläger zu 90 Prozent. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schmerzens- bzw. Hinterbliebenengeld nebst Zinsen aus einem Verkehrsunfall am …2018 in H. in Anspruch sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden.
Der am …2006 geborene Sohn des Klägers ist von einer von dem Beklagten versicherten Sattelzugmaschine während eines Abbiegevorgangs tödlich verletzt worden. Während die Ehefrau des Klägers den Unfall aus unmittelbarer Nähe mit ansehen musste, traf der Kläger selbst kurz nach dem Unfall an der Unfallstelle ein. Dabei sah er auch den Körper seines verstorbenen Sohnes. Der Kläger bedurfte vor Ort angebotener Hilfe der Notfallseelsorge. Er begab sich zusammen mit seiner unfallbedingt psychisch schwer erkrankten Frau in psychologische Behandlung. Der Beklagte zahlte dem Kläger insgesamt Vorschüsse in Höhe von 15.000 €.
Mit angefochtenem Urteil vom 10.01.2022 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch aufgrund eines sogenannten Schockschadens. Nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen PD Dr. Dr. W. sei bei dem Kläger von einer leichten depressiven Episode sowie einem normalpsychologischen Trauerzustand auszugehen. Die Beeinträchtigungen gingen daher nicht deutlich über das hinaus, was Betroffene in derartigen Fällen erfahrungsgemäß erleiden würden (Seite 5 LGU). Der Kläger habe allerdings dem Grunde nach einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld, jedoch lediglich in Höhe der bereits gezahlten 15.000 €. Dieser Betrag orientiere sich sowohl an den Vorstellungen des Ge[…]